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Boris und Ryutaro brechen das Eis

Rußland und Japan wollen bis zum Jahr 2000 einen Friedensvertrag abschließen. Bis dahin soll das Problem der umstrittenen Kurileninseln gelöst sein. Tokio will Moskau mit Investitionen ködern  ■ Aus Tokio André Kunz

Dicke Fische schwimmen in dieser Jahreszeit wenige im sibirischen Fluß Jenissej. Das hinderte den russischen Präsidenten Boris Jelzin und seinen japanischen Kollegen Ryutaro Hashimoto nicht, bei Schneeregen und kaltem Wind ihr Glück zu versuchen. Jelzin fing nichts und Hashimoto nur ein untergewichtiges Exemplar. Trotz Anglerpech haben die beiden Staatschefs bei diesem betont informellen Gipfeltreffen konkrete Resultate erzielt.

So wollen Japan und Rußland ihren über 50 Jahre alten Streit um die südlichen Kurileninseln beilegen und damit den Weg für einen längst überfälligen Friedensvertrag ebnen. „Wir haben uns für die Lösung des russisch-japanischen Problems eine konkrete Frist gesetzt“, sagte Jelzin gestern zum Abschluß des Treffens. Bis zum Jahr 2000 soll es soweit sein. Dann soll definitiv über das Schicksal der vier Kurileninseln entschieden werden, die sowjetische Truppen in den letzten Kriegstagen 1945 besetzt hatten.

Verhandlungen über die Kurileninseln sind zwar schon auf ersten Gipfeltreffen 1993 in Tokio vereinbart worden, seither aber nicht vorangekommen. Die vier Inseln, Etorofu, Kunashiri, Shikotan und Habomai, waren 1945 bei der Jalta-Konferenz von den Alliierten der Sowjetunion zugesprochen worden. Außerdem hatte Tokio im amerikanisch-japanischen Friedensvertrag von 1951 alle Ansprüche auf die Kurilen aufgegeben. Doch nach dem endgültigen Beginn des Kalten Krieges behauptete die damalige Regierung in Tokio, die vier südlichen Inseln gehörten nicht zur Kurilenkette, sondern seien nördliche Territorien des japanischen Staates und forderte die Rückgabe. Auf dem 4.996 Quadratkilometer großen Gebiet leben 17.000 Menschen.

Seit dem Amtsantritt Hashimotos im vergangenen Jahr hat Japan seine harte Haltung schrittweise geändert und versucht, die Russen mit wirtschaftlichen Anreizen zum Verzicht auf die Inseln zu bewegen. Die beiden Staatschefs einigten sich auf einen „Hashimoto-Jelzin-Plan“, demzufolge japanische Investitionen in Rußland und Rußlands Integration in die Weltwirtschaft gefördert werden sollen. Im Vordergrund stehen japanische Großinvestitionen in Höhe von rund zwölf Milliarden US-Dollar zur Ausbeutung der riesigen sibirischen Gasvorkommen und der Bau einer Pipeline nach Japan, die dazu beitragen sollen, das Inselreich im nächsten Jahrhundert weniger abhängig von Ölimporten aus der Golfregion zu machen. Außerdem will Japan Rußland bei einem Beitritt ins bedeutendste regionale Wirtschaftforum Apec (Asiatisch-Pazifisches Wirtschaftsforum) unterstützen. Davon erhofft sich Rußland vor allem mehr Mitsprache und bessere Wirtschaftsbeziehungen im pazifischen Raum.

Aus japanischer Sicht hatte man von diesem Treffen nicht viel erwartet. „Hauptsache, die beiden werden Freunde“, sagte ein Sprecher des Außenministeriums im Vorfeld des Gipfels. Das ist in Krasnojarsk offenkundig gelungen. Die beiden Staatschefs duzen sich nun. Doch Hashimotos Geschenk für Jelzin beweist, daß das Klima zwischen beiden Ländern zwar nicht mehr von Frost, aber eben doch noch von Schneeregen beherrscht ist. Ryutaro übergab Boris eine Videokassette mit einem neuen japanischen Trickfilm, der den Titel „Schwierige Freundschaft“ trägt.

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