Boris Becker wird wieder Tennistrainer: Lenkender Stratege gesucht
Boris Becker soll Supercoach des dänischen Tennisspielers Holger Rune werden. Das 20-jährige Ausnahmetalent steckt in seiner ersten großen Krise.
Als Boris Becker vor sieben Jahren als höchst erfolgreicher Cheftrainer bei einem gewissen Novak Djokovic ausschied, war er sich seiner Sache eigentlich sicher. Als Coach in den Tenniszirkus zurückzukehren, könne er sich „nur sehr, sehr schwer“ vorstellen. „Was kann nach der Nummer 1 noch kommen, nach Wimbledon-Siegen und einer absolut unglaublichen Zeit?“
Es kamen dann einige Jobs. Altbekannte, wie das Kommentatoren-Engagement bei diversen TV-Anstalten. Aber auch eine überraschende Beschäftigung beim Deutschen Tennis Bund – als Supervisor fürs Herrentennis. Und die Patronage für eine gewaltige Ausbildungsstätte im Süden Hessens, in Hochheim am Main – Motto dort: „Boris Becker Academy: Never stop playing.“
Doch wie der TV-Sender Sky am Montag berichtete, wird sich Becker auf seine älteren Tage – er wird im November 56 – noch einmal einem Einsatz direkt am Centre Court stellen: als beratender sogenannter Supercoach des schillernden dänischen Jungstars Holger Rune (20), der gerade die erste große Krise seiner vielversprechenden Karriere durchlebt.
In Monte Carlo haben Becker und Rune einen Schnupperkurs absolviert und offenbar Gefallen an der Zusammenarbeit gefunden. Rune veröffentlichte anschließend ein Foto mit dem Kommentar: „Großartige Trainingswoche.“ Und das bezog sich auch auf den Mann, der in der Mitte der Truppe stand – eben Becker.
Während Boris Becker mit Rune die künftige Kooperation auslotete, war er daheim in Deutschland zuletzt nostalgisch in den Schlagzeilen gewesen.
Das deutsche Länderspieldebüt unter Julian Nagelsmann in Hartford bot willkommene Gelegenheit, an eine der größten Stunden in Beckers Karriere in dieser unscheinbaren Stadt zu erinnern – an den gewonnenen Marathon gegen John McEnroe 1987 im Davis-Cup-Playoffspiel gegen die USA. Beckers Sieg kam damals im rechten Moment, kurz nach der ersten schweren Niederlage überhaupt in Wimbledon, in Runde 2 gegen den Australier Peter Doohan.
Schwierige Aufgabe für Becker
Apropos Wimbledon: Dort hatte Beckers künftiger Schützling Rune in der laufenden Saison seinen letzten vorzeigbaren Auftritt mit dem Ausscheiden im Viertelfinale gegen den späteren Champion Carlos Alcaraz. Anschließend ging es bergab für den Dänen, der bei den US Open und den drei Masters-Turnieren im Sommer und Frühherbst jeweils in der ersten Runde ausschied.
Selbst gegen Thiago Monteiro, die damalige Nummer 116 der Weltrangliste, konnte Rune im Davis-Cup-Heimspiel gegen Brasilien nicht punkten. In der Not wandte sich Runes Team, in dem zwischenzeitlich Lars Christensen den Franzosen Patrick Mouratoglou ersetzt hatte, an den Deutschen.
Becker, der 2023 nach der Verbüßung seiner Haftstrafe in England als TV-Experte in den Tennisbetrieb zurückgekehrt war, hat keine leichte Aufgabe bei Rune vor sich. Der auf Platz 5 der Weltrangliste eingestufte Skandinavier ist gegenwärtig einer der exzentrischsten Darsteller im Weltklassetennis – extrem launisch, extrem unberechenbar, extrem kapriziös. Was mit und bei Rune im nächsten Moment passiert, weiß keiner, er selbst auch nicht.
Rune ist erfolgsversessen, ehrgeizig, ambitioniert, doch zu oft hat er sich und seine Nerven auf den Centre Courts nicht im Griff. Noch weit mehr als bei Djokovic ist Becker als lenkender Stratege gefragt, der den Heißsporn und Hitzkopf nicht ganz seines feurigen Temperaments berauben darf, ihm aber mehr Disziplin beibringen muss.
Offenbar wird Becker in der kommenden Woche, beim ATP-Wettbewerb in Basel, erstmals im Team von Rune dabei sein. Pikant: Im Qualifikationsrennen um die Plätze bei der ATP-WM in Turin gehört Rune zu den Konkurrenten des aktuell strauchelnden Alexander Zverev. Beim letzten Masters-Wettbewerb in Paris könnten Rune und Zverev Ende Oktober/Anfang November sogar direkt aufeinandertreffen.
Becker könnte – ähnlich wie einst bei Djokovic – zu ausgewählten Terminen Rune zur Seite stehen – vorzugsweise bei den Grand Slams, einigen Masters-Wettbewerben und weiteren Turnieren in Europa. Die Zusammenarbeit soll erst einmal bis zum Jahresende laufen, mit der Option auf eine Verlängerung. Becker kann auch das Honorar gut gebrauchen, schließlich leistet er weiter Zahlungen an den Insolvenzverwalter in London.
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