Bootsunglück vor Tunesiens Küste: Dutzende ertrinken in Fischerbooten
Trotz schlechter Wetterlage versuchen Flüchtende über das Mittelmeer zu gelangen. Die Coronakrise hat die Situation in Tunesien verschlechtert.
![Ein halb versunkenes Fischerboot im Meer Ein halb versunkenes Fischerboot im Meer](https://taz.de/picture/4730702/14/Bootsunglueck-tunesien-1.jpeg)
In der Nacht zu Dienstag hatte sich ein weiteres Schiff von der Stadt Mahdia aus auf den Weg nach Italien gemacht und wurde laut den Journalisten mit 70 Passagieren nach einem technischen Defekt von der Küstenwache in einen Hafen zurückbegleitet. Alle Passagiere überlebten. Bei einem dritten Unglück retteten Fischer der Kleinstadt Ellouza am Dienstag 19 Menschen, die nach Angaben der Lokalreporter an Bord eines mit 125 Menschen besetzten Bootes waren. Das Schicksal der übrigen Passagiere war am Mittwoch noch unbekannt.
Trotz der im März im südlichen Mittelmeer stürmischen Wetterlage und hohem Seegang legen in Tunesien wöchentlich Schiffe ab. Da die im benachbarten Libyen genutzten Gummiboote oft noch in Sichtweite ihrer Ablegeplätze in Seenot geraten, kommen immer mehr Migranten aus Subsahara-Afrika in die südtunesischen Küstenstädte Zarzis und Sfax. Als Tagelöhner verdienen sie sich die Kosten für die Überfahrt nach Europa, die zwischen 500 und 1.500 Euro liegen. Lampedusa erreichen die Fischerboote in ein bis zwei Tagen, schnellere Boote lassen die Passagiere nach 16 Stunden nachts an Stränden von Bord.
Nach Angaben der internationalen Organisation für Migration (IOM) starben 2019 1.200 Menschen bei dem Versuch, von Tunesien und Libyen nach Malta oder Italien zu gelangen. Seitdem fast alle Tunesier nach Ankunft wieder zurückgeschoben werden, machen sich fast nur noch Menschen aus Subsahara-Afrika auf den Weg. Von ihnen kommen jeden Tag bis zu 50 in Zarzis an, berichtet die unabhängige Medienplattform Zarzis TV.
Konkurrenz in der Coronakrise
„Eigentlich kann man in Tunesien gut zurechtkommen“, sagt die 29-jährige Hope aus Nigeria, die jetzt in Zarzis lebt. „Aber mit der Coronakrise richtet sich die Wut immer mehr gegen uns. Daher nehmen viele meiner Freunde aus Nigeria das Risiko einer Überfahrt nach Europa auf sich, auch wenn es zurzeit extrem gefährlich ist.“
Die örtlichen Aufnahmelager von UNHCR und IOM sind schon seit Mitte letzten Jahres überfüllt, daher mieten sich oft Gruppen Apartments in der Innenstadt. Viele durch die Coronakrise arbeitslos gewordene Tunesier sehen die Menschen aus West- und Subsahara-Afrika als Konkurrenz auf dem Arbeitsmarkt. Seit einer Schlägerei zwischen Nigerianern und einem Taxifahrer am Dienstagnachmittag wird gegen sie in sozialen Medien mobil gemacht.
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