■ Bonn war nah an den RAF-Aussteigern in der DDR dran: Gebremste Neugierde
Für die Betroffene entwickelte sich der Vorgang zu einem jahrelangen Drama, für einen Haufen Stasi-Offiziere zu einer Herausforderung ihrer desinformatorischen Phantasie und für die Staatsspitze des ersten Arbeiter-und-Bauern-Staates auf deutschem Boden zu einem Alptraum. Das Zeug zur Groteske hat das jetzt von fleißigen Gauck-Helfern neu zusammengepuzzelte Aktenstück um die Beinaheenttarnung der RAF-Asylantin Silke Maier-Witt in der DDR nur im nachhinein, aus der abgeklärten Rücksicht dessen, der weiß, wie die Geschichte zu Ende ging. Die untergetauchten Aussteiger der RAF wurden später doch entdeckt, verhaftet und abgeurteilt. Und die großen und kleinen Mielkes mußten sich um den Leumund ihres Staates in der Welt nicht mehr länger grämen.
Damals, Ende 1987, hätte die absonderliche Geschichte von den in der DDR versteckten BRD-Desperados den Lauf der Dinge verändern, möglicherweise beschleunigen können. Gerade erst hatte Helmut Kohl am Rhein den roten Teppich für den roten Erich ausgerollt und der DDR ein letztes Mal die ersehnte internationale Aufwertung zuteil werden lassen. Und die Legende, die die Ost-Berliner Desinformationskünstler dem Klassenfeind ausweislich der Akten im Falle konsequenten Nachbohrens auftischen wollten, war eine intellektuelle Zumutung. Danach hätte Silke Maier-Witt alias Angelika Gerlach alias Sylvia Bayer sich erst unerkannt in die DDR eingeschlichen und dann per Republikflucht ebenso unerkannt wieder abgesetzt. Arme Stasi. Kein Mensch hätte diese Story geglaubt, im Westen nicht und – nach der Veröffentlichung im Westfernsehen – im Osten erst recht nicht.
Möglicherweise wäre die Betroffene oder wären andere RAF-Aussteiger in ihrer neuen Heimat erneut aufgeflogen. Die Schlagzeilen hätten den innerdeutschen modus vivendi durchaus zum Einsturz bringen können. Hätten können... Tatsächlich haben die westdeutschen Behörden ihr Aufklärungsbemühen so samtpfötig betrieben, als wollten sie die böse Wahrheit so genau lieber doch nicht wissen. Für die verschwörungstheoretische Variante allerdings, die Staatsführer in West- und Ostdeutschland hätten die Zwischenlagerung der halben RAF-Truppe in der DDR-Provinz vorab auf höchster Ebene ausgekungelt, geben die Akten nichts her. Im Gegenteil: Dann wäre es ein leichtes gewesen, lästige Bonner Erkundigungen nach der verschwundenen Dame in Erfurt anzustellen – statt prophylaktisch an skurrilen Legenden zu stricken. Gerd Rosenkranz
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