■ Bonn apart: Libero und Global Player
Bewundern wir nicht alle die Reden unserer Politiker, diese ausgefeilten, manikürten Zeugnisse hoher Intelligenz, diese ungeschminkten, trotzdem pickelfreien Kunstwerke? Geht das denn mit rechten Dingen zu, daß diese Lehrer und Juristen so wunderbar mit der Sprache umzugehen wissen tun?
Seit dieser Woche können wir uns trösten. Norbert Seitz hat sein Buch „Doppelpässe – Fußball & Politik“ vorgestellt, in dem zwei Politiker zu Wort kommen, wie Gott und nicht ihr Ghostwriter sie schuf. Einen Doppelpaß spielen darin Gerhard Schröder und Rudolf Scharping, zwei Männer, die an Jürgen Klinsmann und Lothar Matthäus erinnern, die ja auch mal notgedrungen in derselben Mannschaft spielen mußten. Was im Fußball die Mannschaft ist, ist „in der Politik geschlechtsneutral ,das Team‘“, schreibt Scharping, das tapfere Fraktionsvorsitzerlein der SPD. Und wie der ehemalige Spielführer Matthäus entblößt es seine Seele. „Hinfallen ist keine Schande, Liegenbleiben schon. Es gibt Siege, die werden gefeiert – es sind meist die eigenen.“ In zwei Sätzen beschreibt Scharping, der aus der Asche von Mannheim aufgestiegen ist, die Tragik seiner Karriere. Sportlich fair, nennt er keine Namen. Er formuliert wie zufällig: „Schwierig wird es im Fußball und in der Politik, wenn sich Liberos allzu frei fühlen, den Ball nicht abgeben wollen oder sogar ein Eigentor fabrizieren.“
Schröder geht in seinem Beitrag auf diese Vorwürfe nicht ein und entlarvt sich auch sonst als schlechter Verteidiger. Er schreibt: „Und wie selbstverständlich gehen alle davon aus, daß sich Deutschland für die Weltmeisterschaft 1998 qualifiziert und dort seiner Favoritenrolle gerecht wird. Ich auch.“ Typisch. Macht nicht mal einen Hehl daraus, daß er wie alle sein will, damit ihn alle wählen. Auch sonst bestätigt er alle Vorurteile als Kapitalist im Schafspelz. Er lobt: „Der Bayer-Konzern als Global Player setzt sich mit seiner Mannschaft also auch am Standort Deutschland durch.“ Nicht das Team, sondern der Konzern verdient also Schröders Bewunderung. Und noch schlimmer: „Wie das Kapital, so ist auch das Human-Kapital Fußballspieler frei und weltweit beweglich geworden.“ Angesichts solcher Worte fragen wir uns, ob Scharping mit seinem Tip, wer 1998 gewinnt, recht behält? „Wer das sein soll? Na klar: Die Nationalelf und das SPD-Team. Bis dahin: Am Ball bleiben!“ Machen wir, Rudi. Markus Franz
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