Den Knall noch nicht gehört

In seltener Eintracht fordern Grüne und Polizeigewerkschaft ein Böllerverbot in Berlins Innenstadt. Die Innensenatorin will nur drei Verbotszonen

Hier geht's dieses Jahr wieder rund: Silvester am Mehringplatz in Kreuzberg Foto: Sebastian Wells/Ostkreuz

Von Bert Schulz

Böllern verbindet – das gilt nicht nur für die, die es an Silvester mit den Nachbarn um die Wette krachen lassen, sondern auch für jene, die das Spiel mit dem Feuer grundsätzlich ablehnen. In Berlin haben sich nun in seltener Eintracht die Grünen und die Gewerkschaft der Polizei (GdP) für ein weitgehendes Verbot von privatem Feuerwerk zum Jahreswechsel ausgesprochen.

Dieses Verbot sollte innerhalb des S-Bahnrings gelten, sagte GdP-Sprecher Benjamin Jendro der taz. Diese Vorgabe sei klar und für jeden verständlich. „Wir hatten im letzten Jahr in Berlin mehr als 50 Böllerverbotszonen, die weder kon­trollierbar waren noch wirklich nachvollziehbar für die Bürgerinnen und Bürger.“ Der grüne Innenexperte Vasili Franco unterstützt das: Es brauche klar erkennbare Grenzen, wo Verbotszonen endeten. „Das wäre mit der Regelung eines Verbots innerhalb des S-Bahnrings möglich“, so Franco zur taz.

Die letzten beiden Jahreswechsel waren von der Coronapandemie überschattet. Der Bund hatte den Verkauf von Feuerwerkskörpern, die nicht für Menschen unter 18 Jahren freigegeben sind, untersagt. Darüber hinaus hatte Berlin 2021 mehr als 50 Böllerverbotszonen ausgewiesen, die für jene galten, die noch Reserven gebunkert oder welche aus dem Ausland (illegal) importiert hatten. Die sonst übliche Dauerbeböllerung in der Silvesternacht fiel deutlich dezenter aus.

Ziel der Verbote war auch, die Krankenhäuser nicht noch stärker zu belasten. Auch ohne neue Coronawelle sei diese Begründung aktuell: „Angesichts des Dauerausnahmezustandes beim Rettungsdienst gilt dieses Argument dieses Jahr erst recht“, sagt Franco.

Dass Verbote in dieser Hinsicht etwas bringen, haben die letzten beiden Jahreswechsel gezeigt, betont Franco. „Es gab an Silvester deutlich weniger Notrufe und Einsätze sowie deutlich weniger verletzte Einsatzkräfte. Wir haben also den konkreten Nachweis, welche positiven Folgen ein Böllerverbot hat.“ Das zeige sich auch in Umfragen: „In der Bevölkerung gibt es eine zunehmende Mehrheit für ein solches Böllerverbot für Privatpersonen.“

Auch bei der GdP sieht man diesen Mentalitätswandel: „Die Bereitschaft, aufs Böllern an Silvester zu verzichten, ist in den letzten Jahren immer weiter gewachsen“, sagt Sprecher Jendro. Vielleicht komme man in „ein paar Jahren“ dahin, dass es ausschließlich organisierte Veranstaltungen dafür gebe.

Doch so weit ist es längst noch nicht. Die für ein bundesweites Verkaufsverbot zuständige Innenministerin Nancy Faeser (SPD) hat dies für 2022 bereits abgelehnt. Dieses wirksamste Mittel für ein Ende der privaten Knallerei, unter anderem von den Berliner Grünen und von Umweltverbänden gefordert, ist damit – zumindest vorerst – vom Tisch.

Kaum noch Auflagen

Auch in der Innenverwaltung von Senatorin Iris Spranger (SPD) plant man mit deutlich weniger Auflagen als in den vergangenen beiden Jahren. Bleibt es dabei, könnte erstmals seit dem Jahreswechsel 2019/20 wieder umfassend geknallt werden, außer im Bereich der Silvesterfeier am Brandenburger Tor und der aktuell drei von der Innenverwaltung geplanten Pyrotechnikverbotszonen. Letztere werden mit dem Allgemeinen Sicherheits- und Ordnungsgesetzes (Asog) begründet. Sie sollen am Alexanderplatz, im Schöneberger Steinmetzkiez und in Alt-Moabit eingerichtet werden. Dies teilte Thilo Cablitz, Sprecher der Innenverwaltung, auf taz-Anfrage mit.

Cablitz verwies darauf, dass sich die bereits in früheren Jahren ausgewiesenen Böllerverbotszonen am Alexanderplatz und im Steinmetzkiez „bewährt“ hätten. Hier sei es in den vorherigen Jahren immer wieder zu Feuerwerksverletzungen, körperlichen Ausein­andersetzungen, Angriffen auf Rettungs- und Einsatzkräfte bis hin zu Landfriedensbrüchen gekommen. Ganz spruchreif seien die drei Verbotszonen aber noch nicht. Die „Abstimmungsprozesse“ zwischen Innenverwaltungen und Polizei liefen noch, so der Sprecher.

Den Grünen reichen diese drei Zonen nicht aus. „Die Ausweitung der Böllerverbotszonen auf weitere Bereiche wäre sinnvoll, sei es die Sonnenallee, am Gesundbrunnen oder die Frankfurter Allee“, sagt Vasili Franco. Noch besser sei natürlich ein generelles Böllerverbot innerhalb des S-Bahn-Rings.

Das könnte die Berliner Polizei „selbstverständlich“ nicht flächendeckend kontrollieren, gibt GdP-Sprecher Jendro zu. Aber es wäre ein Anfang, dass „alle Menschen verbindlich wissen, dass, wenn sie Pyrotechnik in diesem Bereich zünden, sie Grenzen übertreten und im Zweifelsfall zur Kasse gebeten werden“.

Wird es also noch eine Ausweitung der Verbotszonen geben? Die Innenverwaltung verweist darauf, dass dies – etwa mit Verweis auf das Infektionsschutzgesetz – aktuell nicht möglich sei. Bei der GdP gibt man dennoch die Hoffnung nicht auf. Man habe das Thema bereits im November angesprochen und sei daher „vermutlich Behördenleitung und Politik etwas voraus“ gewesen. Aber: „Die Gespräche laufen.“