piwik no script img

Böhmermann, Gaza, deutsche EinheitEin Blick ins „Haus der Cancelkulturen der Welt“

Friedrich Küppersbusch schaut auf Jan Böhmermann, in das Innere von Drohnen, und auf die bizarren Lücken von Trumps 20-Punkte-Plan für Gaza.

Moderator Jan Böhmermann hat rumgecancelt Foto: Christoph Hardt/imago

t az: Was war schlecht vergangene Woche?

Friedrich Küppersbusch: Jetzt muss man schon Trump dankbar sein.

taz: Und was wird besser in dieser?

Küppersbusch: Das schaffen wir auch noch.

taz: Jan Böhmermann, Verfechter der Presse-, Meinungs-, Kunst- und Satirefreiheit, hat den Rapper Chefket von einem Konzert ausgeladen, weil der Kulturstaatsminister Wolfram Weimer Druck aufgebaut hat. Was nun?

Küppersbusch: Umbenennung in „Haus der Cancelkulturen der Welt“. Dazu sollte es wöchentliche Cancelcharts geben, mittelalterliche Pranger auf Marktplätzen und Safe Spaces für öffentlichen Moralverkehr. Jedenfalls gilt es, flächendeckend zu verhindern, dass Leute miteinander reden und einander Standpunkte respektieren. Weimer sitzt dem Aufsichtsrat des „Haus der Kulturen“ vor, als Chef der Bundes-GmbH, zu der auch die Berliner Filmfestspiele gehören. Dort hatte sich seine Vorgängerin Roth un­melodiös vertappst zum gleichen Thema Palästina, und nun schickt er ein krasses Gegensignal. Doch worum es inhaltlich geht, ist auch schnell egal, wenn – alte Bühnenweisheit – der Name richtig geschrieben steht. Alle Egohupen, die sich am Konzert beteiligen, verdanken diese Möglichkeit der Meinungsvielfalt, die sie gerade abschaffen.

taz: Das Saarland hat sich bei der Einheitsfeier die Ausladung gespart und gar nicht erst eingeladen, zumindest keine Red­ne­r*in­nen aus der ehemaligen DDR. Auch eine Lösung?

Küppersbusch: „Die Saar“ liegt im Wiedervereinigen gegen die DDR zweieins vorne, mit Macron sprach der ehemalige Vormund. Für Putin ist es noch ein bisschen früh, mindestens. Die blühende deutsch-französische Freundschaft, das Friedenswerk EU, der überlegene Westen: Aus ostdeutscher Perspektive, wo man Zusammenbruch und Systemwechsel kennt, war es eher eine gestrige Folklore-Show. Viele im Osten sehen den Westen vor Veränderungen, die der Osten schon hinter sich hat. Motto der nächsten westlichen Einheitsfeier: Wo wir sind, ist hinten.

taz: Drohnen über Flughäfen, Werften, Energieinfrastruktur – was tun?

Küppersbusch: Nachdem nun bereits der „Spannungsfall“ gefordert wird mit Wehrpflicht und Notstandsgesetzen, Bayern kurz vor einer eigenen Armee steht und Juristen das Recht auf Ballern durchbuchstabieren – würde man doch gern mal eine, nur eine dieser Drohnen sehen. Mal so abgeschossen, fachlich untersucht und eineindeutig einem Täter zugeordnet. Jeder Funkhonk kann heute für 50 Euro aus dem Baumarkt richtig großes Lametta überm Flughafen machen. Wenn bewaffnete Konflikte naherücken, soll man nicht kleingeistig lamentieren, also nur der Vollständigkeit halber.

taz: Trump hat einen 20-Punkte-Plan für Gaza vorgelegt. Welche Punkte fehlen?

Küppersbusch: Bizarr: das Existenzrecht Israels. Das Papier geht von der Entwaffnung und faktisch Auflösung der Hamas aus und mag das deshalb obsolet finden. Um – und der Punkt fehlt ebenfalls – irgendwann zu Selbstbestimmung und freien Wahlen für die Palästinenser zu kommen, wäre er jedoch unverzichtbar. Sonst dauert die „Sonderwirtschaftszone“ Gaza ewig oder wird wenigstens doch ein Trump’sches Hongkong. Und schließlich fehlen Sicherheitsgarantien für Israel, die das Netanjahu-Regime daran hindern, wie zuvor Anlässe zu konstruieren: um weiter Krieg zu führen, zu besetzen, zu annektieren. Am dringlichsten aber fehlt, dass es losgeht, der Krieg endet, das Gemetzel, bitte morgen.

taz: Tagelang ist ein Känguru durch Berlin gehoppelt, bis es geschnappt wurde. Welche Tiere brauchen deutsche Städte noch unbedingt?

Küppersbusch: Ich hatte einen Siebenschläfer an der Terrassentür, hartnäckig, vermutlich weil er in mir einen Geistesbruder sah. Nee, er verschmähte Wasser und Nüsse, machte einen nicht mehr sehr vitalen Eindruck und war am nächsten Morgen weg. Das spricht für weniger Katzen. Jedenfalls hat’s die Medien mal wieder null interessiert.

taz: Das Oktoberfest war einige Stunden wegen einer potenziellen Anschlagsgefahr gesperrt. Sollte die Wiesn jetzt um einen Tag verlängert werden?

Küppersbusch: Abends war das Volksfest wieder offen und die Wirte sagen, ein Bonustag könne aus organisatorischen Gründen erst nächstes Jahr drangehängt werden. In Köln fiel 22 wegen Corona der Rosenmontagszug aus, doch mit Sommerkarneval, dem 11. 11., Christopher Street Day und noch paar Umzügen hätten die Kölner kaum noch einen Tag frei im Kalender, um nachzufeiern. Da liegt die Latte, Seppl!

taz: Und was macht der RWE?

Küppersbusch: Spielt bei Redaktionsschluss bei Erzgebirge Aue und liegt schon 1 zu 0 hinten. Mehr dazu in der Video-Version der taz-Kolumne am Montagmorgen. Fragen: jdo, hly

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 50.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Friedrich Küppersbusch
Jahrgang: gut. Deutscher Journalist, Autor und Fernsehproduzent. Seit 2003 schreibt Friedrich Küppersbusch die wöchentliche Interview-Kolumne der taz „Wie geht es uns, Herr Küppersbusch?".
Mehr zum Thema

0 Kommentare