Body Positivity am Nordseestrand: Dein Körper und du

Kommt Schönheit wirklich von innen? Ein fiktives Gespräch über die Körperwahrnehmung von Frauen, Männern, Sex-Göttern und Sex-Göttinnen.

Menschen sind bei schönem Wetter am Strand von Harlesiel im Wasser.

Positiv, neutral oder negativ? Körper samt dazugehöriger Menschen am Strand von Harlesiel Foto: dpa | Mohssen Assanimoghaddam

„Warum muss ich alles an mir mögen?“, fragt die Frau am vollen Nordseestrand und verschränkt die Arme hinterm Kopf.

„Musst du doch gar nicht, muss niemand!“, sagt ihr Mann und bohrt sich im Ohr.

„Hab seit einer Weile das Gefühl, ich muss das unbedingt!“

„Wer sagt das?“

„Das steht überall, von Cosmopolitan bis SZ, als Frau sollst du dich nun positiv sehn, egal was.“

„Soll oder muss?“

Modalverb is the answer!“, ruft ein Mann in karierter Badehose.

„Darf, endlich darf man!“, ruft eine Frau vom Strandkorb nebenan.

„Ich hab mich schon immer so gesehn!“, ruft ein Mann mit Männerbauch.

„Wie hast du dich gesehen?“, fragt seine Frau.

„Vollends positiv, Daumen hoch, alles paletti, is’ doch keine große Sache!“

„Ja, so als Mann durfte man das schon immer, aber wir müssen das jetzt, dabei wurden wir ewig runtergemacht, wenn wir nicht aussahen wie hier … Klum oder Beyoncé!“

„Jetzt müssen wir superhappy sein mit dem, was is’, aber wie!?“

„Als würd’ das funktionieren, so nackt vorm Spiegel und sich verordnen: Jetzt sieh deinen Body verdammt noch mal positiv!“

„Da hilft kein Self-Imperativ, ich seh noch immer Problemzonen.“

„All die Erniedrigungsvokabeln hat das Imperium uns eingeimpft: Problemzone, Speckröllchen, Hängedies, Hängedas. Und jetzt soll man sich prompt rundum lieben?“

„Wieso muss ich meinen Körper überhaupt lieben oder hassen, wieso kann ich damit nicht einfach spazieren gehen, essen, trinken, fertig!“

„Wieso muss ich meinen Körper überhaupt lieben oder hassen, wieso kann ich damit nicht einfach spazieren gehen, essen, trinken, fertig!“

„Denken, schlafen, diskutieren.“

„Lernen, forschen, konzentrieren.“

„Lachen, weinen, was zusammenbauen.“

„Anstreichen.“

„Kaputt machen.“

„Liebe machen.“

„Da wird’s dann wieder problematisch.“

„Wieso?“

Male Gaze“, murmelt eine junge Frau ohne vom Telefon aufzublicken.

„Genau, da ist ja dann wieder eine andere Person im Spiel.“

„Also, ich wär’ da gern mal wieder im Spiel bei dir“, sagt ihr Mann.

„Dann mach mir den Hof!“

„Ach, Britta, welches Jahrhundert haben wir?“

„Das Jahrhundert, wo wir alle scheinen müssen!“

„Aber bitte von innen!“

„Kommt Schönheit denn jetzt wirklich von innen?“

„Nee, sonst hieße es ja Bikinihirn oder ­Beachbrain!“

„Ich hatte noch nie Lust, eine Sex-Göttin zu sein, ich weiß nicht wozu.“

„Ich will auch kein Sex-Gott sein!“

„Christian Drosten war 20/21 ein Sex-Gott!“

„Der hatte zumindest was Positives.“

„Brain-positiv!“

„Hat immer ganz leicht gelächelt.“

„Frauen sollen doll lächeln!“

„Schon als kleines Mädchen: Lächele und gib anderen ein gutes Gefühl!“

„Heute sollen wir uns selbst ein gutes Gefühl geben!“

„Wir müssen!“

„Fühlt ihr euch besser, wenn ihr euch im Spiegel anlächelt?“

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Jasmin Ramadan ist Schriftstellerin in Hamburg. Ihr neuer Roman Roman „Auf Wiedersehen“ ist im April 2023 im Weissbooks Verlag erschienen. 2020 war sie für den Bachmann-Preis nominiert. In der taz verdichtet sie im Zwei-Wochen-Takt tatsächlich Erlebtes literarisch.

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