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Blow-Monkeys-Sänger über Thatcher„Sie ermunterte zur Gier“

Mit souligen Popsongs schmähte Dr. Robert in den 80ern Maggie Thatcher. Ihren Tod feiert er nicht. Aber versöhnliche Abschiedsworte gibt's von ihm auch nicht.

„Sie war eine polarisierende Figur“: Thatcher-Gedenken in Indien. Bild: ap
Interview von Oliver Pohlisch

taz: Dr. Robert, im Blow-Monkeys-Song „The Day After You“ von 1987 singen Sie, offensichtlich an die damalige Premierministerin Maggie Thatcher gerichtet: „When You're not Around, We're gonna celebrate“. Und: ist Ihnen nun zum Feiern zumute?

Dr. Robert: Ich feiere den Tod anderer Menschen nicht. Mit dem „You“ in diesem Song war nicht allein Thatcher gemeint, sondern das, was sie repräsentierte.

The Day after You" befindet sich auf „She was only a Grocer's Daughter“. In mehreren Songs dieses Albums gibt es Anspielungen auf Thatcher. Was hat Sie dazu angetrieben, der „Eisernen Lady“ eine ganze Platte zu „widmen“?

Wir lebten damals in einer Zeit, in der sich die Gesellschaft spaltete. Ich schrieb lediglich über das, was um mich herum stattfand, und was die Menschen durchmachten.

„The Day after You" wurde von der BBC aus ihrem Radioprogramm verbannt.

Ja, ist das nicht erbärmlich? Und nun zensieren sie „Ding Dong! The Witch is Dead“!

Bild: promo
Im Interview: Bruce Robert Howard

, aka Dr Robert, ist Gitarrist und Sänger der 1981 gegründeten Blow Monkeys. Die britische Band hatte 1987 ihren größten kommerziellen Erfolg mit ihrem dritten Longseller „She Was Only a Grocer's Daughter“. Die Single „It Doesn't Have to be This Way“ erreichte im selben Jahr Platz 5 der UK-Charts. 1990 löste sich die Band auf.

Dr Robert produzierte in der Folge zehn Soloalben und arbeitete mit Musikern wie Paul Weller, Beth Orton und Terry Callier zusammen. Ende 2007 kam es zur Reunion der Blow Monkeys. Seitdem haben sie drei Platten veröffentlicht, die jüngste, „Feels Like a New Morning“ erschien Anfang 2013.

Homepage der Blow Monkeys.

Es gibt noch viel beleidigendere, direktere Anti-Thatcher-Songs als die von Ihnen geschriebenen. Haben Sie Favoriten unter diesen Schmähliedern?

In meinen Augen ist „Shipbuilding“, geschrieben von Elvis Costello und gesungen von Robert Wyatt, das beste all dieser Stücke. „Ghosttown“ von den Specials und „A Town Called Malice“ von The Jam sind ebenfalls großartig, aber „Shipbuilding" hat eine spezielle Atmosphäre.

Bis heute hat es kein Politiker des Westens nach dem Zweiten Weltkrieg vermocht, eine ähnlich große Menge musikalischer Antworten auf seine Politik zu provozieren wie Thatcher. Sollte sie nicht eher als „Geburtshelferin“ einer blühenden britischen Gegenkultur während der Achtziger und frühen neunziger Jahre gepriesen werden?

Nein. Sie war eine polarisierende Figur, die zur Gier und zum Egoismus ermunterte, und die das Leben von Menschen zerstörte. Die Kunst mag unter solchen Umständen florieren, aber das ist nichts, für das man dankbar sein sollte. Meiner Meinung nach hatte Thatcher einen zynischen Blick auf die menschliche Natur.

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Die Melodien, die Sie für „She was only a Grocer's Daughter“ geschrieben haben, wären auch in einer Bar, in der ein Haufen Tory wählender Yuppies ihre Cocktails schlürften, nicht als störend empfunden worden. Die Vorliebe für eingängigen Pop, das Tragen schicker Klamotten, eine gewisse Blasiertheit: Ging es darum, die neuen Konservativen mit deren eigenen Waffen zu schlagen?

Es war die Idee, die Musik – und mit ihr die Botschaft – so vielen Menschen wie möglich nahezubringen. Aber für mich war es immer wichtig, gute Musik zu machen: nicht „Weinbar“-mäßig gut, sondern funky; nicht Sade, sondern Gil Scott Heron.

Punk-Chronist Jon Savage verwies jüngst in der taz auf den affirmativen Charakter von einem Gutteil der 80er Jahre Popmusik. Spandau Ballet bezeichnete er als Thatcheristen, da sie die damals durchgesetzten Werte wie Konsumerismus und Elitismus repräsentierten.

Wie niedlich! Tatsächlich waren Spandau Ballet Unterstützer der Labour Party. Es gilt, Ausdruck und Flair nicht mit Konsumerismus und Elitsmus zu verwechseln. Ich kam über Oscar Wilde zum Sozialismus, einige taten dies über Woody Guthrie. Ich mag beide. Auf die Idee kommt es doch an.

Anti-Thatcher-Songs

Auf Facebook wurde dazu aufgerufen, den 74 Jahre alten, von Judy Garland interpretierten Song „Ding Dong! The Witch is Dead“ aus dem Musicalfilm „The Wizard of Oz“ als Anti-Thatcher-Statement herunterzuladen. Das kurze Stück schaffte es immerhin auf Platz 2 der BBC-Radiocharts. In der Charts-Sendung am Sonntag wurde es nicht gespielt, die BBC brachte aber einen kurzen Beitrag zur Kampagne.

Weitere Anti-Thatcher-Songs

The Not Sensibles: „I'm in Love with Margaret Thatcher“ (1979)

Newtown Neurotics: „Kick Out the Tories“ (1982)

The Larks: „Maggie, Maggie, Maggie (Out, Out, Out)“ (1985)

Crass: „How Does It Feel“ (1986)

Morrissey: „Margaret on the Guillotine“ (1988)

Elvis Costello: „Tramp the Dirt Down“ (1989)

Billy Bragg: „Thatcherites“ (1996)

Hefner: „The Day that Thatcher Dies“ (2000)

Pete Wylie: „The Day that Margaret Thatcher Dies“ (2011)

Die Blow Monkeys nahmen an der Red Wedge Kampagne teil, an der Seite von Paul Weller und Billy Bragg. Glaubten Sie damals wirklich, dass das Engagement von Musikern helfen würde, junge Menschen für die vom Wohlfahrtsstaat verkörperten Werte zu gewinnen und sie zu Labour-Wählern werden zu lassen?

Damals schon, ja. Ich möchte nur daran erinnern, dass meine Generation auch durch Musik politisiert wurde: The Clash, The Jam. Musik hatte eine Bedeutung. Das war, bevor „New Labour“ den „Markt“ umarmte. Wir hatten mit Red Wedge großartige Tourneen, fantastische Nächte. Es war toll, dazuzugehören.

In Großbritannien regiert seit drei Jahren eine konservativ-liberale Koalition. Doch trotz der andauernden ökonomischen Misere, den Sozialkürzungen und der Unpopulariät von Cameron und Clegg ist kaum ein musikalischer Protest vernehmbar. Warum?

Es herrscht eine weitverbreitete Enttäuschung über „Parteipolitik“. Thatchers Kinder sehen nur machthungrige Politiker. Diese Politiker sind austauschbar. Sie streben keinen Wandel an, sie wollen bloß regieren. Und das Internet hat alles verändert; einiges zum Guten, aber es ist auch der große „Schnuller“. Es erkauft das Stillschweigen der Menschen.

Haben Sie jegliche Hoffnung in die Labour-Partei aufgegeben?

Nein, da gibt es einige gute Leute. Aber die müssen mutig sein und es wagen, zu begeistern, voranzugehen und Dinge zu ändern. Die Herrschaft der Märkte gehört beschnitten, und die Grundversorgung muss zurück in die öffentliche Hand – wozu sollte Macht sonst nützlich sein.

Morrissey schickt Thatcher nun mit Beschimpfungen ins Grab. Ist das in Ordnung? Oder halten Sie es eher mit Ex-Sex Pistols-Sänger John Lydon, der die Freudenpartys zum Tode Thatchers auf den Straßen von Liverpool, Bristol und Brixton kritisierte?

Mit Morrissey stimme ich selten überein und noch weniger mit Lydon. Dennoch habe ich den allerhöchsten Respekt vor ihrem Recht sich frei zu äußern. Und damals haben beide fantastische Musik gemacht.

Aber wie sieht nun ein angemessener Abschied von Thatcher aus? Etwa so wie es Aktivisten auf ihrer Facebook-Seite vorschlagen: Stell Dich an die Trauermarsch-Route und drehe Dich schweigend um, wenn die Leiche vorbeigefahren wird?

Absolut. Dreht diesem staatlich finanzierten Debakel den Rücken zu! Sie hätten Thatchers Begräbnis dem privaten Sektor und hier dem billigsten Anbieter überlassen sollen. Das ist doch das, was sie gewollt hätte.

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7 Kommentare

 / 
  • IR
    Iron Reagan

    Also, in den frühen 80er, z.z. der Reaganomics entwickelte sich mit dem "American Hardcore" eine komplette Kultur gegen Reagan, sie erfanden dabei neben diversen Musikstilen auch noch nebenbei DIY und damit die "Indies". Unvergesslich auch das leckere Plattencover der "Dayglo Abortions" Platte "Feed Us Fetus" mit Nancy and Ronny drauf. Mir fallen auch auf die schnelle mind. 4 Bands ein, deren Bandnamen sogar mit Reagan drin waren.

     

    Somit ist folgender Satz Quatsch:

    "Bis heute hat es kein Politiker des Westens nach dem Zweiten Weltkrieg vermocht, eine ähnlich große Menge musikalischer Antworten auf seine Politik zu provozieren wie Thatcher."

  • G
    Gonzo

    Thatchers Politik war nicht schön, aber notwendig im England ihrer Zeit. Man muss sich mal vorstellen, dass die britische Druckergewerkschaft noch Mitte der 80er für die Beibehaltung des Bleisatzes gestreikt hat! Ohne Thatchers Rosskur wäre es England noch viel schlechter ergangen.

  • E
    ello

    Thatcher war ein Segen für das Land. Sie hat den Gewerkschaftssozialismus beendet, die Fleißigen belohnt und die Faulen bestraft.

  • L
    Leo

    Boy George nicht vergessen, im Video wird Thatcher ordentlich gedisst:

     

    http://www.youtube.com/watch?v=MI0tZjH06BQ

     

    1988

    Boy George

    No Clause 28

     

     

     

    No Clause 28

     

    Won't you be elated

    To tamper with our pride

    They say to celebrate it

    Is social suicide

     

    I'm not your average beat boy

    I'm not your rebel guy

    You want to make us hated

    You want to make us slide

     

    No Clause 28

    No Clause 28

    Brother you're much too late

     

    Don't need this legislation

    You don't need this score

    Don't need this facist groove

    Just to show pornography the door

     

    Don't mean to be too precious

    I don't mean to be uptight

    But tell me iron lady

    Are we moving to the right?

     

    No Clause 28

    No Clause 28

    Brother you're much too late

     

    They talk about AIDS they call it a curse

    But brothers we know it's gonna get worse

    You know you won't cure it with TV campaigns

    Or telling those mothers what to put in their veins

     

    I'm telling you suckers start using your heads

    By putting the money in hospital beds

    You're clamping our cars the streets are a mess

    Look what you've done to the NHS

     

    Not Tory, not Labour, not SDP

    It's all the same from a factory

    Don't talk to me about political choice

    I don't like your tone and I don't like your voice

     

    No Clause 28

    No Clause 28

    Brother you're much too late

  • DR
    Dr. rer. nat. Harald Wenk

    Da Musik viel mit Stimulierung von Emotionen "arbeitet", ist es sowieso schwierig, die großsoziologisch, politisch-wirtschaftlichen Machtoperationen der Formierung der Gesellschafdt ALS solche musikalisch darzubieten.

     

    Da Personaliserung der Politik mit zum neoliberal-konversativen Stretegem gehört, ist die etwas grobe Psychologiserung, auf de Grundlage fehlender phisophisch-psychologisch-ethischer Grundbildungen ein Baustein der selbstverkennden Sicht der dInge.

     

    Rohstoff des "Protestes" sind LEGITIME "egoistische" Glücksbedürfnisse, die brutal abgekillt und betoniert werden.

     

    Extrem grausam, wenn die brutale Poltik auch noch die psycholgische Erkenbntnisfähigkeit der Opfer demoliert.

     

     

    Es gibt in England/Groß Britaniren durchaus weit linke, glaubwürdige Poltikoptionen. Die MUsiker sollten sie unterstützen.

  • E
    eksom

    In Deutschland habe wir auch mehrere männliche und einige weibliche Thatchers! Diese stehen auch (noch) voll hinter dem gierigen TURBO-KAPITALISMUS.

  • D
    Detlev

    "Die Herrschaft der Märkte gehört beschnitten, und die Grundversorgung muss zurück in die öffentliche Hand – wozu sollte Macht sonst nützlich sein."

     

    So was Ähnliches behauptete gerade die SPD in Deutschland, aber es glaubt ihr keiner mehr.

     

    Hätte Anfang der 1980er eine britische Regierung mehr auf Augenhöhe regiert und sich nicht als radikale Sanierungsunternehmertruppe verstanden, dann wären die Probleme heute dort weitaus geringer. Viele Briten verloren damals ihre Jobs und konnten dann mit Minijobs, Arbeitslosigkeit oder viel schlechter-bezahlten Jobs weitermachen. Viele Mitarbeiter von Universitäten wanderten in die USA, nach Kanada oder Australien aus. Selbst in Deutschland haben ein paar Tausend Briten nach Arbeit gesucht. Nun hat die Misere sicherlich viele Väter, aber Tatcher hat genau in diese Misere Öl gekippt. Ihre Strategie war es, das Ganze so hart, so radikal wie möglich zu machen. Sie wollten den großen Knall und noch heute hassen viele Briten sie dafür. Wer sich das britische Wolfsburg Longbridge (bei Birmingham) ansieht, der erkennt ein Industriefreilichtmuseum. Großbritannien ist heute kein Fertigungsstandort mehr. Nur das Roulette in der City läuft noch gut - aber die gesamten Folgekosten der City sind wahrscheinlich genauso hoch.