Blogger Markus Beckedahl über Netzpolitik: „Ein Internet-Minister wär sinnvoll“
Politische Prozesse spielen sich zunehmend auf Facebook ab, sagt Beckedahl. Das ist nicht unproblematisch. Und einen Netz-Minister solle es auch geben.
taz: Herr Beckedahl, was sind die wichtigsten Ergebnisse der Enquetekommission „Internet und digitale Gesellschaft“?
Markus Beckedahl: Dass Netzpolitik im Bundestag angekommen ist. Zwar ist immer noch nicht allen Abgeordneten bewusst, wie relevant Netzpolitik und das Internet in Gegenwart und Zukunft sind, aber durch drei Jahre Arbeit fand ein größerer Wissenstransfer statt.
Was hat sich inhaltlich getan?
Das klare Bekenntnis der Enquetekommission, dass Anonymität im Internet gewährleistet sein muss, ist auch ein klares Bekenntnis zu unseren Grundrechten. Bei Forderungen von bestimmten Politikern wie einer Wiedereinführung der Vorratsdatenspeicherung oder von Staatstrojanern ist das zumindest ein symbolisches Zeichen.
Haben bei der Arbeit Parteigrenzen eine Rolle gespielt?
Die Werbebroschüre klang so, dass man ergebnisoffen über Fragestellungen diskutiert, aber ab der ersten Sitzung war klar, dass die Koalition ihre Mehrheit nutzen wird. Als ergebnisoffen galt das, was auch die Position der Bundesregierung ist.
war Sachverständiger in der Enquetekommission „Internet und digitale Gesellschaft“ und betreibt seit 2002 das Blog netzpolitik.org mit dem Themenschwerpunkt Politik in der digitalen Gesellschaft.
Können Sie dafür ein Beispiel nennen?
Viele Themen wie etwa das Leistungsschutzrecht wurden bewusst herausgehalten, weil sie aktuell im Bundestag diskutiert wurden. Da hatte die Koalition sicherlich Angst, dass es andere Mehrheiten oder andere Handlungsempfehlungen in der Enquete gibt, als es gerade im Bundestag eigene Netzpolitiker beschließen. Auch bei der Frage nach einer möglichen gesetzlichen Regelung der Netzneutralität wurde schnell klar, dass sich die Koalition bemüht, keine andere Linie zuzulassen.
Wo liegt denn das Problem?
Die Bundesregierung und die EU-Kommission haben sich auf eine „Das wird der Markt schon regeln“-Position zurückgezogen. Aber der Markt sorgt dafür, dass die Netzneutralität Schritt für Schritt abgeschafft wird. Da kann man später vielleicht viel weniger regulativ eingreifen.
Wie sinnvoll ist die Forderung nach einem ständigen Ausschuss „Internet und digitale Gesellschaft“?
Es macht Sinn, dass Netzpolitik mehr Relevanz im Bundestag erhält. Aber ein Hauptausschuss allein reicht nicht aus, es sollte ein Gegengewicht zur Bundesregierung geben. Ein Staatsminister im Kanzleramt wäre zum Beispiel sinnvoll. Man könnte aber auch mal über die Einführung eines Internetministeriums nachdenken.
Mit der Beteiligungsplattform Adhocracy konnten erstmals BürgerInnen bei parlamentarischen Beschlüssen mitwirken. Hat das Ihrer Meinung nach gut funktioniert?
Das Problem war, dass es bereits vor Beginn vonseiten der Bundesregierung große Bedenken gab, dass mit der Einführung eines Beteiligungswerkzeugs ein Präzedenzfall in Richtung Abschaffung der repräsentativen Demokratie geschaffen wird. Das hat dazu geführt, dass wir erst in der zweiten Hälfte Erfahrungen mit Adhocracy sammeln konnten, also zu einem Zeitpunkt, wo ein Teil der interessierten Öffentlichkeit keine Lust mehr hatte sich zu beteiligen. Die Beteiligung war durch diese Anfangsschwierigkeiten nicht ganz so groß, aber trotzdem sehe ich das nicht als gescheitert an.
Was sind die wichtigen Fragestellungen für die Zukunft?
Wie gehen wir damit um, dass immer mehr Öffentlichkeit in privatisierten Räumen, auf Servern von privaten Firmen, die in anderen Ländern sitzen, stattfinden – wo nicht unbedingt unser Grundgesetz gilt, sondern die allgemeine Geschäftsbedingung. Dort kann schnell auf Basis von Algorithmenentscheidungen eine Sperrung des Accounts erfolgen, durch die man vom sozialen Leben ausgeschlossen werden kann. Das ist natürlich bedeutend, weil sich auch politische Prozesse zunehmend auf Facebook und Co abspielen.
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