Blog über Gewalt gegen Journalisten: „Lügenpresse – auf die Fresse“
Immer wieder werden Journalisten auf rechten Demos attackiert. Die Polizei greift nicht ein. Das „Augenzeugen“- Blog des DJV soll aufklären.
Arndt ist nicht der einzige Journalist, der solche Erfahrungen gemacht hat. Reporter ohne Grenzen zählte 2015 mindestens 39 gewalttätige Übergriffe auf Journalisten in Deutschland. Viele der Opfer kritisieren: Die Polizisten seien häufig überfordert oder griffen nicht ein.
Marcus Arndt hat seine Erfahrung auf dem Blog augenzeugen.info aufgeschrieben. Seit Januar existiert diese Plattform für Journalisten, die Opfer vornehmlich rechter Gewalt geworden sind. Verantwortlich für das Projekt ist Frank Überall, Bundesvorsitzender des Deutschen Journalisten-Verbands (DJV). Ziel sei es, darauf aufmerksam zu machen, dass Polizei und Politik bei diesem Thema „zumindest extrem zurückhaltend“ seien, sagt Überall.
Als „extrem zurückhaltend“ würde der Leipziger Journalist Hendrik Pupat das Verhalten der Polizisten nicht bezeichnen. Er geht weiter: Auf dem Blog berichtet er, wie er auf einer Legida-Demonstration körperlich angegriffen wurde. Pupat schreibt, als er sich an die Polizei wendet, sei ihm sein Angreifer gefolgt und behauptete, Pupat habe ihn als „perverser Deutscher“ beschimpft.
Die Polizisten, sagt Pupat, hätten sich auf die Seite der Angreifer geschlagen: „Meine Bitte um Hilfe haben sie abgelehnt, stattdessen wendeten sie sich dem Angreifer zu, der eine Anzeige wegen angeblicher Beleidigung gegen mich aufgab. Mit der Überprüfung meiner Personalien haben sich die Polizisten so viel Zeit gelassen, dass ich die Redner verpasst habe“. Danach habe er einen Platzverweis erhalten.
Austausch mit der Polizei gesucht
Zum Projekt augenzeugen.info gehört nicht nur das Blog, sondern auch der Austausch des DJV mit der Polizei. „Wir haben uns schon vor Blogstart darauf verständigt, dass der DJV aktiv werden muss, vor allem in Zusammenarbeit mit der Polizei“, sagt Ine Dippmann, DJV-Landesvorsitzende und Landeskorrespondentin für MDR-Aktuell in Sachsen.
In Sachsen, wo auch Reporter ohne Grenzen die meisten Fälle von Gewalt an Journalisten aufgezeichnet hat, gebe es Fortschritte. „In Leipzig gab es Runden, bei denen Journalisten und Polizisten zusammenkamen, um über die Probleme zu sprechen“, so Dippmann. Auf den Einsatzbesprechungen vor Demos soll auf die Belange von Journalisten hingewiesen werden. „Natürlich sind diese Errungenschaften nicht ausschließlich auf den Blog zurückzuführen. Er gibt uns aber wichtige Informationen an die Hand.“
Das sächsische Innenministerium bestätigt, dass es im März Gespräche zwischen Beamten der Bereitschaftspolizei Dresden und Medienvertretern gegeben habe. Solche Treffen sollten nun alle sechs Monate stattfinden. Aus Sicht des Innenministeriums habe sich die Kooperation auf Demos verbessert. Hinsichtlich der Forderung nach mehr Ansprechpartnern für Journalisten wären aber die „Grenzen der polizeilichen Möglichkeiten“ aufgezeigt worden. Der sächsische Polizeiinspekteur Dieter Hanitsch habe vorgeschlagen, dass „Journalisten ihre Arbeit auch Polizeianwärtern in Ausbildung“ vorstellen sollten. Von den Journalisten fordere man, Angriffe häufiger zur Anzeige zu bringen.
Hendrik Pupat will das nicht. Erst nach der Veröffentlichung seines Augenzeugenberichts, kam eine Reaktion: „In meinem Fall hat das Blog zumindest dafür gesorgt, dass der Polizeipressesprecher meine Mail beantwortete.“ Man stimme ihm „uneingeschränkt zu“, dass der Sachverhalt „nicht optimal“ behandelt worden wäre. Die Beamten seien an die „Grenzen der Belastungsfähigkeit“ gestoßen, deshalb könne es sein, dass nicht jede Anzeige sachgemäß geprüft worden wäre. Diese Antwort war Pupat wichtig. In seinen Augen sollte es ein ähnliches Blogprojekt wie augenzeugen.info auch vonseiten der Polizei geben. Des gegenseitigen Verständnisses wegen.
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