Blockade der Erdöl-Länder: Verhandlungen über UN-Plastikabkommen gescheitert
Kein Vertrag gegen die Plastikkrise: Die Staaten, die von der Produktion von Kunststoff profitieren, wollten deren Einschränkung unbedingt verhindern.

Plastikmüll sorgt weltweit für massive Verschmutzung. Mikropartikel des Kunststoffabfalls treten auch im menschlichen Körper auf. Derzeit werden jährlich mehr als 400 Millionen Tonnen Plastik produziert, die Hälfte davon für Einwegprodukte. Weniger als zehn Prozent des Plastikmülls werden recycelt.
Drei bis fünf Prozent des weltweiten CO2-Ausstoßes gehen auf die Produktion von Plastik zurück, mehr als die CO2-Emissionen des gesamten afrikanischen Kontinents. Und bis 2060 könnte sich die Plastikproduktion Schätzungen zufolge verdreifachen.
In der Nacht zum Freitag war in den Verhandlungen um ein Abkommen zur Bekämpfung dieser Probleme ein neuer Kompromisstext vorgelegt worden. Er enthielt nach zehn Tagen intensiver Verhandlungen jedoch noch mehr als 100 zu klärende Punkte. Bei einer informellen Sitzung konnten die Delegationsleiter keine Einigung erzielen.
Ölstaaten gegen den Rest der Welt
Zuletzt standen sich zwei Lager unversöhnlich gegenüber: Auf der einen Seite Ölstaaten zusammen mit weiteren Ländern und auf der anderen Seite Vertreter etwa aus der EU oder Lateinamerika zusammen mit Umweltschützern. Unter anderem geht es um die Frage, ob die Plastikkrise an ihrem Ursprung angepackt werden muss: der Plastikproduktion. Für diese wird meist Erdöl genutzt. Eine Einschränkung würde die erdölproduzierenden Länder also treffen.
Die Verhandlungen in Genf mit Vertretern aus mehr als 180 Staaten sollten eigentlich am Donnerstag zu Ende gehen. Die Beratungen wurden dann jedoch bis zum Freitag verlängert. Frankreichs Umweltministerin Agnès Pannier-Runacher zeigte sich „enttäuscht“ über das Scheitern der Verhandlungen.
Die Organisation Greenpeace kritisierte, die Auswirkungen der „Plastikkrise“ würden „weiterhin massiv unterschätzt“. „Um das Problem zu lösen, braucht es in Zukunft eine viel größere Aufmerksamkeit, auch auf höchster politischer Ebene“, erklärte Greenpeace-Plastikexperte Moritz Jäger-Roschko. „Trotzdem: Ein schwaches Abkommen wäre schlimmer als keines – es würde Stillstand als Fortschritt verkaufen.“ Oberste Priorität müsse eine „effektive Lösung der Krise“ sein.
Die Zukunft der Verhandlungen war zunächst unklar. Uganda beantragte eine neue Verhandlungsrunde zu einem späteren Zeitpunkt. Die EU-Umweltkommissarin Jessika Roswall sagte, Genf habe „eine gute Grundlage“ für eine Wiederaufnahme von Verhandlungen geschaffen.
Zuvor waren bereits Gespräche im südkoreanische Busan im vergangenen Dezember gescheitert. Diese Gespräche hätten eigentlich bereits die letzte Verhandlungsrunde für ein Plastikabkommen sein sollen. Bei der Konferenz in Genf hatten die Unterhändler nun auf einen Durchbruch gehofft.
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