piwik no script img

Bleiberecht dank DNA-TestAm kürzeren Hebel

Christian Jakob
Kommentar von Christian Jakob

Solange Niedersachsen an seiner rücksichtslosen Abschiebepolitik festhält, können Flüchtlinge kaum darauf hoffen, ihre Rechte geltend zu machen

K örperliche Untersuchungen sind ein verbreitetes Mittel der Ausländerbürokratie: Gern lassen Behörden die Handknochen von Flüchtlingen röntgen, die geltend machen, minderjährig zu sein. Normalerweise fällt das Ergebnis der Untersuchung mit der umstrittenen Methode im Sinne des Staates aus: Das Alter wird auf über 18 festgesetzt, besondere Schutzbedürftigkeit als Minderjähriger verneint.

Nun ist es einmal anders herum: Einer Flüchtlingsfamilie scheint es gelungen zu sein, per DNA-Test einen Identitätsnachweis zu erbringen, der ihre Angaben bestätigt. Die vom Staat unterstellte Täuschung über die Herkunft hätte demnach nicht stattgefunden, die jahrelange Trennung der Familie wäre nicht nur moralisch, sondern auch juristisch unvertretbar.

Ob dies der Familie etwas nützt, ist fraglich. Denn Migranten, noch dazu jene mit unsicherem Aufenthaltstitel, sitzen im deutschen Rechtssystem am kürzeren Hebel. Das gilt besonders für Niedersachsen. Die verlorenen Jahre wird der nun offenbar erbrachte Identitätsnachweis der Familie ohnehin nicht zurückbringen können. Die Ehefrau hat das Leben im Exil krank gemacht, und wie die Kinder unter der Lage zu leiden hatten, mag man sich kaum vorstellen. Eine Entschädigung wäre, neben dem Recht auf die Familienzusammenführung, angebracht. Doch solange Niedersachsen an seiner rücksichtlosen Abschiebepolitik festhält, sind solche Gesten nicht in Sicht.

40.000 mal Danke!

40.000 Menschen beteiligen sich bei taz zahl ich – weil unabhängiger, kritischer Journalismus in diesen Zeiten gebraucht wird. Weil es die taz braucht. Dafür möchten wir uns herzlich bedanken! Ihre Solidarität sorgt dafür, dass taz.de für alle frei zugänglich bleibt. Denn wir verstehen Journalismus nicht nur als Ware, sondern als öffentliches Gut. Was uns besonders macht? Sie, unsere Leser*innen. Sie wissen: Zahlen muss niemand, aber guter Journalismus hat seinen Preis. Und immer mehr machen mit und entscheiden sich für eine freiwillige Unterstützung der taz! Dieser Schub trägt uns gemeinsam in die Zukunft. Wir suchen auch weiterhin Unterstützung: suchen wir auch weiterhin Ihre Unterstützung. Setzen auch Sie jetzt ein Zeichen für kritischen Journalismus – schon mit 5 Euro im Monat! Jetzt unterstützen

Christian Jakob
Reportage & Recherche
Seit 2006 bei der taz, zuerst bei der taz Nord in Bremen, seit 2014 im Ressort Reportage und Recherche. Im Ch. Links Verlag erschien von ihm im September 2023 "Endzeit. Die neue Angst vor dem Untergang und der Kampf um unsere Zukunft". 2022 und 2019 gab er den Atlas der Migration der Rosa-Luxemburg-Stiftung mit heraus. Zuvor schrieb er "Die Bleibenden", eine Geschichte der Flüchtlingsbewegung, "Diktatoren als Türsteher" (mit Simone Schlindwein) und "Angriff auf Europa" (mit M. Gürgen, P. Hecht. S. am Orde und N. Horaczek); alle erschienen im Ch. Links Verlag. Seit 2018 ist er Autor des Atlas der Zivilgesellschaft von Brot für die Welt. 2020/'21 war er als Stipendiat am Max Planck Institut für Völkerrecht in Heidelberg. Auf Bluesky: chrjkb.bsky.social
Mehr zum Thema

0 Kommentare

  • Noch keine Kommentare vorhanden.
    Starten Sie jetzt eine spannende Diskussion!