Birmas Misere und das Völkerrecht: Man könnte die Junta zur Hilfe zwingen
Nach Expertenmeinung könnten die Militärs gezwungen werden, ausländische Helfer im Land zu akzeptieren. Im Prinzip.
HEIDELBERG/BERLIN ap/taz Die Bundesregierung hat mit scharfen Worten die Militärregierung in Birma dazu aufgerufen, sofort Hilfe von internationalen Organisationen ins Land zu lassen. Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) forderte deswegen gestern, den UN-Sicherheitsrat einzuschalten. Sie sagte, ihr fehle das Verständnis für das Verhalten der Regierung. Ihrer Forderung schloss sich Außenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD) an. Es sei "unerträglich", dass die Regierung in Rangun keine Kooperation mit den Hilfsorganisationen eingehe. "Im Augenblick zählt jede Stunde", sagte Steinmeier. Merkel rief die Nachbarn Birmas und die Asean-Mitgliedstaaten auf, "ihren Einfluss zu nutzen".
Zuvor hatte die Bundesregierung bekanntgegeben, dass sie ihre Soforthilfe von einer auf zwei Millionen Euro aufstocke. Dies teilte Entwicklungsministerin Heidemarie Wieczorek-Zeul (SPD) mit. Es gehe darum, die "Katastrophe nach der Katastrophe" zu verhindern.
Der Völkerrechtler Jochen Frowein erläuterte, wie Rangun zur Zusammenarbeit mit Hilfsorganisationen gezwungen werden könnte. Das internationale Recht habe sich im vergangenen Jahrzehnt weiterentwickelt und fasse den Begriff der Friedensgefährdung inzwischen weiter, sagte der Wissenschaftler vom Max-Planck-Institut für ausländisches öffentliches Recht und Völkerrecht.
"Der UN-Sicherheitsrat könnte eine Resolution beschließen, in der die birmesische Regierung verpflichtet wird, zum Schutz der eigenen Bevölkerung vor einer humanitären Katastrophe Helfer aus dem Ausland ins Land zu lassen." Grundlage für eine solche Resolution wäre Kapitel VII der UN-Charta, die das Eingreifen bei einem Friedensbruch oder einer Bedrohung des Friedens regele. Dazu gehöre auch der Schutz der Menschen vor lebensbedrohlichen Katastrophen.
Das Auswärtige Amt reagierte auf den Vorschlag skeptisch. Der politischen Druck auf das Militärregime in Birma müsse aufrechterhalten werden, sagte ein Sprecher der taz. Auch der Sicherheitsrat müsse sich deshalb mit den neuen Entwicklungen befassen. Doch sei es unwahrscheinlich, ein Mandat für eine Zwangsverteilung der Hilfsgüter zu erreichen.
Leser*innenkommentare
Martin
Gast
Ob Menschen durch militärische Angriffe umkommen wie z.B. damals in Jugoslawien oder durch unterlassene Hilfeleistung in großem Ausmaß, wo ist der Unterschied? Also wäre ein gewaltsames Eingreifen gerechtfertigt, zumindest mehr gerechtfertigt als in Afghanistan oder im Irak, wenn man die Anzahl der möglichen Toten, die es zu verhindert gilt, als Maßstab nähme.
Anne
Gast
Gäb's dort "vitale Interessen der Vereinigten Staaten von Amerika" zu "verteidigen", wäre das Regime dort spätestens in ein paar Tagen gestürzt und die Hilfslieferungen könnten fast ungehindert ins Land. Krieg ist halt fast immer dort, wo er besser nicht wäre. Nein, ich finde die US- Streitkräfte nicht ganz lieb und toll und superklasse erst recht keine Privatkriegsfirmen, sondern da die UNO ja keine entsprechenden Blauhelmtruppen zur Verfügung zu haben scheint (was ja auch Vorteile hat),
wäre eine Intervention seitens einiger Allierten mit UNO Mandat (wie im Artikel gut beschrieben wird, dass das gar nich mal so abwegig wär), vielleicht das kleinere Übel - Problem, dass das ein fragwürdiger, missbrauchbarer Präzedenzfall werden könnte, bleibt natürlich, aber das wäre in der Zukunft zu entscheiden, wogegen jetzt die Menschen in Birma Hilfe brauchen. Im Sudan wäre übrigens schon sehr lange auch eine ähnliche Invasion gerechtfertigt. Anderswo auch (z.B. Tibet und wenn mensch Folterstatistiken liest, z.B. auch Saudi-Arabien, Indonesien u.a.), aber das hätte dann ganz andere - weltkriegsähnliche - Auswirkungen (wo dann der Tod u. das Leid die einzigen Sieger wären) und wäre nicht gerade das kleinere Übel.