Biosphärenreservat bedroht: Zu viel Schwefelsalze in der Spree
Die berüchtigte „Verockerung“ der Spree wird ein Brandenburger Problem bleiben. Berlin bekommt es mit Sulfaten zu tun.
Sulfate, die Salze der Schwefelsäure, sind kleine Alleskönner: Aus Kalziumsulfat, vulgo Gips, formt man Stuck oder Arme, mit Bariumsulfat weißt man Wände, Ammoniumsulfat lässt Pflanzen sprießen, und Natriumsulfat bzw. Glaubersalz beschleunigt die Verdauung. Leicht nachvollziehbar, dass eine hohe Konzentration solcher Stoffe im Trinkwasser nicht gut ist. Aber genau die droht Berlin – und schuld ist die Braunkohle in der Lausitz.
Im Umweltausschuss des Abgeordnetenhauses fand am Mittwoch auf Antrag von SPD und CDU eine Anhörung zum Thema „Verockerung der Spree“ statt. Dabei geht es in erster Linie um die rostbraunen Eisenoxide, die aus gefluteten Tagebauen zwischen Calau, Cottbus und Hoyerswerda in die Spree sickern und das Biosphärenreservat Spreewald bedrohen.
Allerdings stellten die geladenen Experten – Winfried Lücking vom Bund für Umwelt und Naturschtz (BUND) und Klaus Freytag vom Brandenburger Landesamt für Bergbau, Geologie und Rohstoffe (LBGR) – unisono fest: Bis Berlin wird der Rost aus der Lausitz nie kommen, und überhaupt, das Problem sei „technisch lösbar“. Mit diversen Maßnahmen wird in Brandenburg und Sachsen der Eintrag der Eisenoxide verringert, an der Talsperre Spremberg und an anderen neuralgischen Punkten klärt man das belastete Wasser.
Die fein gelösten Sulfate ficht das nicht an: Seit 1996 beobachte man einen Anstieg der Sulfatwerte im Berliner Trinkwasser, so Lücking, im vergangenen Herbst sei mit 255 mg/l erstmals eine Konzentration über dem gesetzlichen Grenzwert von 250 mg/l gemessen worden. Zwar habe dazu beigetragen, dass 2014 ein sehr trockenes Jahr gewesen sei. Trotzdem gehe der Trend bedenklich nach oben.
Uneins waren die Sachverständigen darüber, ob zu viel Sulfat neben gesundheitlichen Folgen wie Durchfallerkrankungen auch Materialschäden verursacht. Große Sulfatmengen führten zu „Betonfraß“ und beschädigten Wasserleitungen, so BUND-Mann Lücking – Klaus Freytag vom Bergbau-Amt war das angeblich neu. Allerdings liegt der taz eine Stellungnahme der Berliner Wasserbetriebe zum Lausitzer Tagebau Nochten vor, in der genau dies steht: Sulfate erhöhten die Wasserhärte und verursachten so verstärkte Ablagerungen in Rohrleitungen und einen entsprechend höheren Instandhaltungsaufwand.
Für die Opposition ist klar: Hier muss mehr getan werden. Pirat Philipp Magalski forderte, der Senat müsse über die gemeinsame Landesplanung mit Brandenburg und in der Zusammenarbeit mit Sachsen „deutlich mehr Druck als bisher auf die Verantwortlichen ausüben“. Sollte Vattenfall – wie angedacht – die Braunkohlesparte verkaufen, dürfe man das Unternehmen „nicht aus der Verantwortung für die Folgekosten entlassen“.
Michael Schäfer von den Grünen spitzte die Kritik noch weiter zu. Vattenfall verdiene sich „eine goldene Nase“ mit der Braunkohleverstromung, weil es die Folgekosten auf die Gesellschaft abwälze: „Der Preis für Braunkohle muss die Wahrheit sagen.“
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