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Billige Mobilität in DeutschlandFernbusse machen Bahn Konkurrenz

Der durchschnittliche Bahnreisende ist jung, hat wenig Geld und will WLAN. Der durchschnittliche Anbieter versucht's mit möglichst abgefuckten Geschäftsbedingungen.

Umsteigen erwünscht: Fernbus eines bekannten deutschen Autolobbyisten. Bild: dpa

BERLIN afp | Die Fernbus-Branche macht der Bahn viele Kunden abspenstig: In einer Umfrage unter Fernbuskunden gaben 44 Prozent der Befragten an, früher mit der Bahn gereist zu sein.

Das teilte das Marktforschungsunternehmen IGES am Donnerstag in Berlin mit. Immerhin 38 Prozent erklärten, vom Auto auf den Fernbus umgestiegen zu sein. Der Fernbus-Boom ruft auch Verbraucherschützer auf den Plan, die neun Anbieter wegen unzulässiger Klauseln abmahnten.

Gründe für den Wechsel zum Fernbus seien vor allem günstigere Fahrpreise, die Anbindung auch kleinerer und mittlerer Städte und „die Vielzahl umsteigefreier Verbindungen“, erklärte der IGES-Bereichsleiter für Mobilität, Christoph Gipp. 30 Prozent der Fernbus-Nutzer seien früher mit Fernverkehrszügen wie ICE und IC gereist und gäben nun dem Fernbus den Vorzug. 14 Prozent hätten früher vor allem Nahverkehrszüge genutzt.

Allerdings führen nach wie vor viel mehr Menschen Bahn als Fernbus. 2013 seien Schätzungen zufolge bis zu neun Millionen Menschen Fernbus gefahren, während jedes Jahr etwa 130 Millionen Menschen mit dem Zug unterwegs seien.

Grundsätzlich hohe Zufriedenheit

Unterwegs sind in der Fernbuswelt vor allem junge Menschen. Knapp zwei Drittel der Umfrageteilnehmer waren IGES zufolge zwischen 18 und 29 Jahren alt. Insgesamt sei die Zufriedenheit recht hoch: 85 Prozent der Umfrageteilnehmer gaben an, sie seien mit dem Fernbus zufrieden oder sogar sehr zufrieden. Allerdings wünschten sich laut IGES viele Kunden besser ausgestattete Haltestellen und ein verlässliches WLAN-Angebot in den Bussen. Für die Studie befragte IGES in Zusammenarbeit mit dem Buchungsportal fahrtenfuchs.de knapp 800 Menschen persönlich oder online.

Seit der Liberalisierung des Marktes zum 1. Januar 2013 dürfen private Anbieter im gesamten Bundesgebiet Linienverbindungen zwischen Städten anbieten. Zuvor durften Fernbusse nur auf Strecken eingesetzt werden, auf denen sie der Bahn keine Konkurrenz machten.

Wegen unzulässiger Klauseln in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB) mahnte die Verbraucherzentrale Nordrhein-Westfalen insgesamt neun Fernbus-Anbieter ab. Eine Untersuchung habe ergeben, dass in den AGB auch Leistungen ausgeschlossen würden, zu denen die Betreiber gesetzlich verpflichtet seien, erklärte der Vorsitzende der Verbraucherzentrale NRW, Klaus Müller.

Anspruch auf ein funktionierendes Klo? Wozu denn?

So hätten einige Unternehmen die Haftung für Sachschäden auf 1.000 Euro pro Person beschränkt, obwohl das Gesetz eine Haftungsgrenze von 1.200 Euro für jedes Gepäckstück vorschreibe. Auch der „vollmundigen Werbung für Bordtoilette und Klimaanlage ging im Kleingedruckten die Luft aus“, bemängelte Müller. „Zuhauf“ hätten die AGB die Haftung für Funktionsfähigkeit und Nutzbarkeit der technischen und sanitären Anlagen ausgeschlossen.

Fünf abgemahnte Anbieter – Deutsche Post Mobility, Univers Bus Service, Mein Fernbus, BerlinLinienBus und Dein Bus – hätten inzwischen eine Unterlassungserklärung abgegeben. Den vier anderen – Flixbus, Deutsche Touring, Omnibusverkehr Franken und National Express Germany – sei eine letzte Frist eingeräumt worden. Nach deren Ablauf werde die Verbraucherzentrale NRW Klage erheben, kündigte Müller an.

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3 Kommentare

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  • Aus meiner Sicht besteht das Problem mit Fernbussen darin, dass der Verkehr auf den Straßen viel unökologischer und, wenn entsprechende Kosten eingerechnet werden, auch teurer ist, als er im Moment erscheint. Zu den Kosten gehören Luft- und Lärmbelastungen und Oberflächenversiegelung durch Fahrbahnbau. Die Deutsche Politik, Wirtschaft und die Mehrheit der Bevölkerung kann sich leider nur einen sehr resourcenintensiven Individualverkehr vorstellen, weswegen es aus individueller Sicht leider das bequemste ist, in den Bus oder den eigenen PKW zu steigen - aber dieses Einsteigen ist ökologisch, technologisch und gesellschaftlich ein Schritt zurück in Richtung 60er Jahre Autostädtebau. Die Bahn, deren Vorstände aus der Flug- und Autoindustrie stammen, ist wie die deutsche Autolobby nicht daran interessiert an einen Verkehrskonezpt für ein 21. Jahrhundert zu arbeiten. Das ist leider so, aber dennoch ist sowohl der eigene PKW, als auch der Bus eine denkbar technologisch und ökologisch schlechte Lösung für Mobilität.

    • D
      D.J.
      @Johannes Bernstein:

      Meines Erachtens eine kurzsichtige Rechnung, Herr @Bernstein. Abgesehen von der besseren Ökobilanz gegenüber dem Zug (solange der nicht überfüllt ist): Immerhin 15% der Kunden gab nach einer kürzlichen Umfrage an, zuvor die jeweilige Strecke mit Auto gefahren zu sein. Das klingt nicht viel, aber bei sagen wir 75 Fahrgäsen wären das schon mal fünf, die das Auto stehen lassen. Da nach meiner Erfahrung die meisten Alleinreisende sind, können war also von ca. 4 Autos ausgehen, die weniger auf der Straße sind.

       

      Und was den Zug betrifft: Lärmbelasung auch hier, Schienenbau seht energieintensiv, Ökobilanz der Bahnhöfe einzurechnen etc. pp.

  • Bisher bin ich nur mit dem ADAC-Bus gefahren und damit hochzufrieden. Zunächst aus Kostengründen – statt mindestens 31 Euro mit der Bahn für die Strecke Dortmund-Bonn nur sparsame 9 Euro. Die Busse waren pünktlich, die Fahrer ausgeschlafen und freundlich. Gelegentlich habe ich aus privaten Gründen kein Auto zur Verfügung und bin bis vor kurzem dann zähneknirschend Bahn gefahren. Zähnekirschend, weil es oft Verspätungen und volle Züge gab und weil Hin- und Rückfahrt über 60 Euro kosten. Mit dem Fernbus gibt es eine so preisgünstige komfortable Alternative, dass ich jetzt bei wenig Gepäck gern mein Auto zu Hause lasse. Ein bißchen wie Urlaub ist es auch. Der Fahrer stellt sich vor und gibt Sicherheitsinfos, das Gepäckstück wird mit einer Nummer versehen, die penibel kontrolliert wird bei der Ausgabe. Die Snackpreise sind in Ordnung, die Sitze bequem – ganz anders als bei der Bahn. Ein, manchmal zwei Haltepunkte auf der Strecke Bonn-Dortmund, sind eine vorzügliche Raucherpause. Was will man mehr? Die Fahrtzeit ist ungefähr gleich. – An den ADAC: Sollte sich herausstellen, dass die FahrerInnen miese Arbeitsbedingungen haben oder schlecht bezahlt werden, fahre ich umgehend wieder nur noch Auto.