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Bildungsstreik wird fortgesetztJetzt gehts gegen die Rektoren

In Leipzig demonstrieren 5.000 Studierende gegen die Konferenz der Hochschulrektoren - Die loben sich allerdings selbst für die gelungene Bolognialisierung der Unis.

Vor 600 Jahren wurde die Universität Leipzig gegründet. Die Studenten feiern es auf ihre Weise. Bild: dpa

Es waren die größten Studierendenproteste dieser Woche: Über 5.000 DemonstrantInnen sind am Dienstag in Leipzig auf die Straße gegangen, um für bessere Bildung zu protestieren - und gegen die gleichzeitig stattfindende Hochschulrektorenkonferenz (HRK). Vertreter der Konferenz zeigten sich von den Protesten unbeeindruckt. In fünf Punkten betonten die Abgesandten der Hochschulen, was sie bei der Bologna-Reform für gelungen halten. Bei der Pressekonferenz kam es zum Eklat.

Der Ort der Studierenden-Proteste war symbolisch aufgeladen: Leipzig erinnert in diesem Jahr an die Universitätsgründung vor 600 Jahren. Eine Woche vor dem Höhepunkt der Feiern startete die Demonstration direkt vor dem Rektoratsgebäude der Universität, das Studierende seit Montag besetzt halten. Vom Balkon riefen und winkten die Besetzer den überwiegend aus Sachsen und Thüringen angereisten Demonstranten zu. Auf der Straße ist die Stimmung kämpferisch, vom Lautsprecherwagen fordern die Studierenden bessere Bildung und Nachbesserungen an den Bologna-Reformen. "Wir sind das Hackfleisch in der BOLOGNese", steht auf einem Transparent. Doch an diesem Tag geht es gar nicht in erster Linie um die oft kritisierten Studienbedingungen im neuen Bachelor- und Mastersystem.

Die HRK, die in Leipzig seit Wochenbeginn tagte, dient als Hauptzielscheibe. Schon im Vorfeld der Demonstration sprach ein offener Brief des Leipziger Studentenrates der HRK das Recht ab, sich als "Stimme der Hochschulen" zu bezeichnen.

Vertreter der HRK wiesen die Kritik an den Bologna-Reformen von sich. In einer abschließenden Stellungnahme betonten die Vertreter die "Irreversibilität" der Reformen und lobten sich selbst: "Es ist den Hochschulen gelungen, nahezu alle Studiengänge aus eigener Kraft auf eine neue, international verständliche Struktur umzustellen, ohne dafür zusätzliche Mittel erhalten zu haben", hieß es. Auch die Bilanz sehen die Hochschulvertreter positiv. Sie betonten in Leipzig "sichtbare Erfolge" wie die Verkürzung der Studiendauer und die "wachsende Akzeptanz der BachelorabsolventInnen auf dem Arbeitsmarkt". Zudem verwiesen sie auf die "ständige Weiterentwicklung" der Studiengänge unter Beteiligung der Studierenden. Kritik übte die HRK an der Politik. Die Länder "enthalten den Hochschulen wesentliche Rahmenbedingungen für eine optimale Fortsetzung der Reform vor", hieß es. Im Einzelnen kritisierten die Hochschulvertreter Fragen der Finanzierung, Rechtssicherheit, Koordinierung und Regulierung der Hochschulen.

Am Rande der abschließenden Pressekonferenz kam es in Leipzig zu einem Eklat. Zehn Studierende verschafften sich Zutritt zu der Veranstaltung und beschimpften die Hochschulvertreter und hielten Banderolen in die Luft.

HRK-Präsidentin Margret Wintermantel wehrte sich spontan gegen die Kritik der Eindringlinge. Die Rektoren seien "sehr wohl demokratisch gewählt", sagte Wintermantel. Beide Seiten warfen sich gegenseitig vor, dialogunfähig zu sein. Die aufgebrachten Studierenden verweisen daraufhin auf die Empörung der Straße. Der Leipziger Rektor Franz Häuser rief den Studierenden zu: "Wir sind selbst Opfer des Prozesses!"

Bereits in der vergangenen Woche waren deutschlandweit mehr als 80.000 Studierende und SchülerInnen für bessere Bildung auf die Straße gegangen. Die Demonstrationen sollen weiter fortgesetzt werden.

FRANZ HÄUSER, REKTOR IN LEIPZIG

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7 Kommentare

 / 
  • JP
    Jim P.

    Kann mir jemand erklären, warum der Bologna-Prozess unumkehrbar ist?

    Eine Bologna-Polizei gibt es soweit ich weiß nicht.

     

    In allen Bereichen geht man wieder zu einem funktionierenden Zustand zurück, sobald man merkt das der Eingriff nicht den gewünschten Erfolg gebracht hat.

     

    Hauptziel war doch (offiziell, ich will gar nicht auf Punkte, wie "Leute frühest möglich auf den Arbeitsmarkt werfen" kommen)die internationale Vergleichbarkeit sowie eine verbesserte Möglichkeit einige Semester im Ausland zu verbringen.

     

    Nach aktuellen Zahlen ist der Auslandsaufenthalt von Studenten drastisch zurück gegangen. Und vergleichbarer wird eine Lehrveranstaltung durch einen gleichen Abschluß-Titel schon einmal gar nicht.

    System gescheitert. => Back to normal

     

    Halten die Politiker die Menschen in Deutschland für dumm? Wollen die Politiker tatsächlich einen Zustand, bei dem es nicht mehr nur bei friedlichen Demonstrationen bleibt?

     

     

    p.s.: Mir war es schon bekannt, aber gerade letzte Woche habe ich wieder einen Artikel darüber gelesen, dass in den USA momentan ein Abschluss eingerichtet wird, der dem Diplom sehr ähnlich ist.

    Goodbye "german engineering"

    Kein Wunder, dass viele Firmen ins Ausland ziehen.

     

    Ob ich als angehender Ingenieur jemals in Deutschland Steuern zahlen möchte...

    Bei der Politik nicht!

  • R
    Rasputin

    Es ist erstaunlich wie oft man in den letzten Jahren liest irgendwer (meist Politiker, oder ähnliche Machtinhaber) immer und immer wieder und nicht müde werdend Kritik von sich weisen. In jedem dritten Artikel liest man Sätze wie "...wies die Kritik zurück." oder "...lässt die Kritik nicht gelten." oder oder oder. es treibt einen zur Weißglut, dass diese egoistischen neoliberal verseuchten Schweine es sich zur Tugend gemacht haben einfach Kritik von sich zu weisen und gut ist. Ich könnte platzen wenn cih sowas lese!

  • J
    jan

    "Wir sind selbst Opfer des Prozesses!"

     

    "Ich liebe Euch doch alle!"

  • PN
    Peter nicht mehr lustig

    Ständig wird von den Studierenden erwartet, dass sie sich 'dialogfähig/-bereit' zeigen sollen. Aber mit wem sollen wir über was reden? Die PolitikerInnen wollen nur einen öffentlichkeitswirksamen Auftritt mit den Studierenden, inhaltlich bewegen sie sich in den zentralen Punkten um kein Stück. Mit den HochschuldirektorInnen? Die Äußerungen der Vorsitzenden der HRK zeigen auf welchem Planeten die Damen und Herren leben... welche demokratische Legitimation besitzt eigentlich dieses Gremium um für alle StudentInnen/MitarbeiterInnen und ProfessorInnen aller Fachbereiche und aller Universitäten sprechen zu wollen? Die letzten demokratischen Gremien der Hochschulen werden systematisch entmachtet/abgeschafft. Die PräsidentInnen haben immer mehr Macht und zusätzlich werden die eingeführten Hochschulräte bald ihrerseits massiv auf die Strukturgestaltung und Personalplanung der Universitäten Einfluss nehmen. Auch dieses Gremium ist überhaupt nicht demokratisch legitimiert... Die VertreterInnen aus der Gesellschaft sind meistens InteressenvertreterInnen der Wirtschaft (Beispiel Hochschulrat der Universität Marburg). Zufälligerweise jener Unternehmen die bereits an bestimmten Fachbereichen Drittmittelgeber sind.

    Leider muss man aber auch sagen, dass die Medien (sowohl die Printmedien als auch Fernsehen und Radio) die letzten Jaher nur über die Universitäten berichtet haben, wenn es Streiks, Besetzungen und große Demonstrationen gegeben hat.

    Was wir aber brauchen ist eine kritische nachhaltige und informative Berichterstattung über die Verhältnisses an den Hochschulen um zu verhindern das die PolitikerInnen und HochschulrektorInnen weiterhin in der Öffentlichkeit einen Schein aufrecht erhalten können der nichts mit der Realität an den Hochschulen zu tun hat.

    Die Demokratie wird auch an den Universitäten verteidigt! Im übrigen einer der letzten Orte in unserer Gesellschaft an dem Mensch sich noch Freiräume schaffen konnte um sich zu einem mpndigen Bürger zu entwickeln, wenn man es denn wollte. Vom Kindergarten bis zur Rente lebt man in undemokratischen Lern- und Arbeitsverhältnissen. Aber selbst wenn man nicht arbeitet gibt es noch die Arbeitsagentur die einem sagt wo es lang geht. Wer will sich da wundern das viele Menschen ihre demokratischen Rechte nicht mehr wahrnehmen wollen/können?

  • JI
    Jan - Initiative soziale Hochschule

    KmK, HrK, CHE, BMW und CDU - Dem Roland Koch sein Kopf steckt in dem Arsch einer Kuh:

     

    http://video.google.com/videoplay?docid=5132924373219365319&ei=KDDNSob2Jp_E2wKHsb2XAQ&q=Studiengeb%C3%BChren+Frankfurt#

     

     

    Es gibt kein richtiges studieren in Falschem.

     

    Protest ist der Ausgang der Studierenden aus deren fremdver - schuldeten Unmündigkeit an und in den Unis!

  • R
    Rebekka

    Bei der Demo an sich wurden 9000 geschätzt, weil wohl schon allein 4000 von außerhalb angereist waren. Vielleicht ist das ein Anhaltspunkt.

    Meiner Meinung nach waren es mehr, aus dem einfachen Grund, dass bis jetzt kein Medium, die richtige Zahl kennt... eigentlich untypisch! Vielleicht hat man Angst andere Studierende mit zu großen Zahlen zu motivieren. Oder es wurde einfach nicht geschätz bzw viel zu verschiedene Informationen weitergegeben.

  • M
    Micha

    Ich wäre dankbar, wenn die Zahl der demonstrierenden Studierenden halbwegs der Wirklichkeit angepasst würde. Hier sind es 5000

     

    Dort: http://www.taz.de/1/zukunft/wissen/artikel/1/die-studis-sind-furchtbar-ungeduldig/ - 3000.

     

    Wieviele denn nun?

     

    Mit der Quantität ändert sich gleichwohl die Qualität - nicht nur des Artikels bzw. der journalistischen Fähigkeit, sondern auch die des Streiks.