Bilder der Reichen und ihrer Reichtümer: Ein Auto zum Anhimmeln
„Generation Wealth“: Die US-Fotografin Lauren Greenfield zeigt in den Hamburger Deichtorhallen eine pathologische Reichtumsästhetik.
Reichtum ist so eine Sache. Dass etwa Friedrich Merz sich zur Mittelschicht zählt, darüber konnte sich die Republik vor einem halben Jahr trefflich amüsieren angesichts der Tatsache, dass der CDU-Politiker ein monatliches Bruttoeinkommen von rund 83.000 Euro versteuert. Aber: Merz’ Weigerung, sich selbst als reich zu bezeichnen, zeigt, wie tabubelastet dieses Feld ist.
Man darf also skeptisch sein, wenn die US-Fotografin Lauren Greenfield von sich selbst sagt, in einer Mittelschichtsfamilie aufgewachsen zu sein und ihre Kontakte zur Welt der Reichen und Schönen auf einer elitären Schule im Westen von Los Angeles geknüpft zu haben. Weil so eine Mittelschichtsbehauptung eben oft auch eine Schutzbehauptung ist.
Nirgendwo kennt man diese Schutzbehauptung so gut wie in Hamburg. Als reich bezeichnet sich der Hanseat grundsätzlich nicht. Zwar zählt die Hafenstadt zu den wohlhabendsten Metropolen Europas, aber das Klischee des protestantisch geprägten Understatements verlangt, den eigenen Wohlstand nicht zu zeigen.
Hamburger Auseinandersetzung mit Reichtum
Dafür gibt es in Hamburg eine Tradition der künstlerischen Auseinandersetzung mit Reichtum: Im Frühjahr 2014 zeigte die jüngst verstorbene Regisseurin Maria Magdalena Ludewig ihre Recherche „Born rich“ im Theater Kampnagel, kurz darauf beschäftigte sich das Museum für Kunst und Gewerbe in der Ausstellung „Fette Beute“ mit der Inszenierung von Luxus.
Wobei insbesondere bei „Fette Beute“ deutlich wurde, wie ernst Reiche die Kontrolle über ihre Bilder nehmen – die gezeigten Werke von Künstlern wie Louise Lawler, Juergen Teller und Martin Parr waren so eindeutig inszeniert wie die Selbststilisierungen auf Formaten wie „Rich Kids of Beverly Hills“.
Eine Fotografin wie die 1966 geborene Greenfield, deren Wanderausstellung „Generation Wealth“ aktuell in den Deichtorhallen zu sehen ist, hat es da leichter: Sie ist der kalifornischen Hautevolee eng verbunden, arbeitete zunächst als Fotojournalistin für Hochglanzmagazine und begann erst Mitte der 1990er, ihre bisherigen Celebrity-Sujets analytischer zu porträtieren. Sie besitzt also schon das Vertrauen der Oberschicht – was „Generation Wealth“ tatsächlich zu einem mehr oder weniger ungefilterten Blick auf eine pathologische Reichtumsästhetik macht.
Greenfield will ihre Protagonisten nicht denunzieren
Gegliedert ist die Präsentation in zehn Kapitel, angefangen bei frühen Adoleszenzporträts unter dem Titel „Fast forward“. Teenager Adam doziert da, dass eine ordentliche Bar-Mizwa zwischen 15.000 und 90.000 Dollar zu kosten habe. „Kinder, die es sich nicht leisten können, haben wohl einfach die Arschkarte gezogen.“ Was einem in seiner Unverfrorenheit zwar den Atem verschlägt, tatsächlich aber noch abgetan werden kann als das Geschwätz eines Schnösels, der es eben nicht besser weiß.
„Lauren Greenfield: Generation Wealth“, bis 23. Juni, Deichtorhallen, Hamburg. Der opulente und lesenswerte Katalog/Bildband ist im Phaidon Verlag erschienen und kostet 69,95 Euro.
Doch Greenfield geht es nicht darum, ihre Protagonisten zu denunzieren, sie will zeigen, wie die Überflussästhetik nach und nach alle Bereiche des Lebens prägt. „The Princess Brand“ thematisiert die Kommerzialisierung von Frauenimages, „Sexual Capital“ eine warenförmig überwölbte Sexualität, von der jugendkulturellen Variante der Spring-Break-Exzesse und dem Motorcycling-Event Daytona Bike Week bis zur Sexarbeit.
Sexworkerin Brooke Taylor wird in einem schlicht schönen, ästhetisch längst dem fotojournalistischen Frühwerk Greenfields entrückten Porträt gezeigt: „Letzte Weihnachten habe ich mir einen Mercedes 300 C gekauft. Ich hätte nie gedacht, dass man einen leblosen Gegenstand so sehr anhimmeln kann wie mein Auto.“
Die Ästhetisierung von Reichtum
Schönheit, Sexualität, Begehren werden hier als radikale Ausprägungen des Marktes deutlich. Die Bling-Bling-Kultur interessiert Greenfield dabei so wenig wie Banken und Börse als Orte, an denen das wirklich große Geld sitzt. Ihr Fokus liegt auf der Ästhetik, auf der Verbindung von ökonomischen Strukturen mit der Ästhetisierung von Reichtum.
„Bei plastischer Chirurgie geht es darum, so auszusehen wie die dominante Klasse“, wird der Schönheitschirurg Steven Teitelbaum im Kapitel „New Aging“ zitiert, was auf zwei Ebenen interessant ist: einerseits wegen des Begriffs der Dominanz, andererseits weil nicht mehr das Sein wichtig ist, sondern das „Aussehen wie“.
Trotz Motiven aus insgesamt 19 Ländern ist „Generation Wealth“ geprägt von einem genuin US-amerikanischen Blick; das bestätigt manchmal diejenigen, die im US-Lifestyle ohnehin alle Übel der Menschheit versammelt sehen. Aber Vorsicht: Natürlich ist die Inszenierung der „dominanten Klasse“ eine Inszenierung, die irgendwann bei den vulgären Überflussimages eines Donald Trump landet.
Die Abgründe des Luxus-Entertainments
Was allerdings eine Handvoll Fotos jenseits der US-Perspektive ignoriert: Greenfield zeigt auch etwas ausführlicher Serien aus Russland und China. In Russland hat die Reichtumsästhetik viel stärker mit einer Rückbesinnung auf vorsowjetische Traditionen zu tun, in China führte die Ein-Kind-Politik mit zunehmendem Wohlstand zum im Westen unbekannten Phänomen der „kleinen Kaiser“, Luxuskindern, die es gewohnt sind, jeden Wunsch erfüllt zu bekommen.
In einer letzten Wendung dann stürzt „Generation Wealth“ in die Abgründe des Luxus-Entertainments: „Make it rain“ zeigt Bilder aus dem Nachtclub „Magic City“ in Atlanta, in dem die Gäste Stripperinnen mit Dollarscheinen beschmeißen. Als letzte Fotografie zeigt Greenfield eine nackte Frau, die auf dem Boden kauert und Scheine aufklaubt, gesichtslos, Hämatome an den Hüften. Ein schutzloses, ein vulgäres, ein böses Bild. Die Zukunft.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Anschlag auf Magdeburger Weihnachtsmarkt
Vieles deutet auf radikal-islamfeindlichen Hintergrund hin
Exklusiv: RAF-Verdächtiger Garweg
Meldung aus dem Untergrund
Keine Konsequenzen für Rechtsbruch
Vor dem Gesetz sind Vermieter gleicher
Russische Männer auf TikTok
Bloß nicht zum Vorbild nehmen
Anschlag in Magdeburg
„Eine Schockstarre, die bis jetzt anhält“
Klimakiller Landwirtschaft
Immer weniger Schweine und Rinder in Deutschland