Bild in Kassel überklebt: Kopiah oder Kippa?
Ein möglicherweise antisemitisches Bild des Kollektivs Taring Padi wurde nachträglich überklebt, aus „Einfühlungsvermögen“ gegenüber der Öffentlichkeit.
Gemäß Erklärung der documenta kritisiere „All Mining is Dangerous“ das Bergbausystem in den USA und in Indonesien. Der Holzschnitt zeigt auch vier Personen, die große Mengen Geld in Form von Geldsäcken unter sich aufteilen. Eine davon hat eine lange Nase, ihre wulstigen Lippen ziehen ein hämisches Grinsen. Sie trägt eine Kopfbedeckung, die nun mit einem schwarzen Stück Klebeband überklebt wurde.
Bei der nachträglich unkenntlich gemachten Kopfbedeckung handele es sich womöglich um eine Kippa, wie das Junge Forum der Deutsch-Israelischen Gesellschaft (DIG) vermutet. Nähere Betrachtungen vor Ort und der Vergleich mit älteren Aufnahmen des Bildes würden dies zeigen. Das DIG wirft der „documenta fifteen“ vor, eine antisemitische Darstellung verdeckt zu haben. Bundesvorsitzender Constantin Ganß sagte dem Evangelischen Pressedienst (epd) am Dienstag, das Bild sei anlässlich einer größeren Recherche des Jungen Forums am Standort Hallenbad-Ost entdeckt worden.
Die Künstlergruppe entschied das Bild zu überarbeiten
Die künstlerische Leitung der documenta fifteen, das indonesische Kollektiv ruangrupa, reagierte auf den Vorwurf und veröffentlichte nun eine Erläuterung des zur Diskussion stehenden Bildmaterials. Demnach handele es sich bei der Kopfbedeckung des Grinsenden auf dem Holzschnitt „nicht um die Darstellung einer jüdischen religiösen Kopfbedeckung“. Die überarbeitete Figur auf dem Bild von Taring Padi zeige vielmehr eine klassische und weit verbreitete indonesische Kopfbedeckung: die „kopiah“ oder „peci“ in Bahasa Indonesia. Sie werde im indonesischen Puppenspiel (wayang) von einer wiederkehrenden Figur getragen. Die Kopiah reiche – im Gegensatz zur Kippa – bis zu den Ohren, sie sei „gar Teil der nationalen und offiziellen Kleidung in Indonesien“.
Dennoch kam es zur Überklebung dieser Kopfbedeckung im Juni 2022. Dies sei die Entscheidung von Taring Padi gewesen, so die Erklärung der documenta, aus „Einfühlungsvermögen gegenüber der breiten Öffentlichkeit und als Präventivmaßnahme gegen eine mögliche Fehlinterpretation als ‚Kippah‘ in der damals hitzigen und rasanten Debatte“. Die documenta erläuterte weiter: „Jeder/m Künstler*in steht es frei, ihr oder sein Werk zu bemalen, zu bekleben oder anderweitig zu bearbeiten. In diesem Fall geschah dies nicht, um etwas zu vertuschen, sondern als ästhetische Entscheidung, um auf den unmittelbaren Kontext, in dem das Werk gezeigt wurde, zu reagieren.“
Derweil zog die Bildungsstätte Anne Frank nach einigen Wochen Aufklärungsarbeit auf der von Antisemitismus-Vorwürfen überschatteten „documenta fifteen“ das Fazit, dass Antisemitismus auch bei Bildungsbürgern verankert sei. „Wenn Bildungsbürger an unseren Stand kommen und völlig selbstverständlich krude antisemitische Verschwörungstheorien äußern, dann muss das uns alle alarmieren“, sagte die pädagogische Leiterin der Bildungsstätte, Julia Alfandari. „Trotz der wochenlangen Debatte stellen wir fest, dass auch im documenta-Publikum sehr wenig Wissen über Antisemitismus besteht und es an der Kompetenz mangelt, Antisemitismus überhaupt zu erkennen.“
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