Bidens Schlappe vor Gericht: Grenzen der Dekretpolitik
Joe Biden hat seine Amtszeit mit vielen Dekreten begonnen. Jetzt ist er mit seinem Abschiebemoratorium an einem Bundesrichter gescheitert.

Abgeschobene Menschen auf dem Weg zurück nach Mexiko in eine ungewisse Zukunft im Juli 2019 Foto: Emilio Espejel/ap
Mit einer Fülle von Dekreten hat der neue US-Präsident Joe Biden in seiner ersten Amtswoche alles in Bewegung gesetzt, um so viel wie möglich von der Politik seines Vorgängers Donald Trump sofort rückgängig zu machen. Von „Sleepy Joe“, wie ihn Trump verächtlich nannte, kann keine Rede sein. Speedy Joe trifft es besser.
Aber wer schnell loslegt, kommt schnell an Grenzen. Ein Bundesrichter in Texas hat am Dienstag eines der wichtigsten Versprechen Bidens außer Kraft gesetzt: Das 100-tägige Abschiebemoratorium, das Biden schon am ersten Amtstag aussprach, verletze Bundesrecht, argumentiert der Richter. Dabei nahm er noch nicht einmal Bezug auf eine noch fünf Tage vor dem Ende von Trumps Amtszeit veröffentlichte Regelung des Heimatschutzministeriums. Nach der braucht jegliche Änderung der Migrationspolitik mindestens ein halbes Jahr Vorlauf und Abstimmung mit den Bundesstaaten. Ob diese Verordnung ihrerseits zulässig ist, wird vermutlich ebenfalls Gerichte beschäftigen.
Für Menschen, die akut von Abschiebung bedroht sind, heißt das zunächst neue Unsicherheit. Möglich, dass die Verfügung aus Texas von der nächsten Instanz gekippt und vom Obersten Gericht wieder bestätigt wird. Oder andersherum. Dabei wollte sich Biden mit dem Moratorium vor allem Zeit verschaffen, um weiterreichende Reformen der Migrationspolitik formulieren und verabschieden zu können.
Unabhängig davon, wie der Rechtsstreit um das Moratorium ausgeht: Er zeigt vor allem die begrenzte Reichweite des Regierens mit Dekreten, von denen Biden in seiner ersten Woche mehr unterzeichnet hat als je ein Präsident vor ihm. Es ist ein ewiges Pingpong: Trump machte Obamas Dekrete rückgängig, Biden Trumps. Natürlich ist das besser als Nichtstun, zumal angesichts der denkbar knappen demokratischen Kongressmehrheit offen ist, was in den ersten zwei Jahren dort eigentlich zu schaffen ist.
Aber die Versuchung ist groß, sich gar nicht erst um Kongressmehrheiten zu bemühen, wo Dinge per Dekret erst einmal geregelt sind. Doch Gesetze sind nicht einfach per Federstrich rückgängig zu machen. Bidens Wunsch nach Einheit der USA wird genau hier mit Führungskraft ergänzt werden müssen. Auf viele Trump-Wähler*innen wirkt eine 100-tägige Aussetzung von Abschiebungen ungefähr wie die Ankündigung, die Polizei werde für 100 Tage keine Morde mehr verfolgen. Schafft es Biden nicht, diese Irrationalitäten aufzuknacken, bleiben die US-Amerikaner*innen sich selbst spinnefeind und seine Politik bleibt nur ein Strohfeuer.
Bidens Schlappe vor Gericht: Grenzen der Dekretpolitik
Joe Biden hat seine Amtszeit mit vielen Dekreten begonnen. Jetzt ist er mit seinem Abschiebemoratorium an einem Bundesrichter gescheitert.
Abgeschobene Menschen auf dem Weg zurück nach Mexiko in eine ungewisse Zukunft im Juli 2019 Foto: Emilio Espejel/ap
Mit einer Fülle von Dekreten hat der neue US-Präsident Joe Biden in seiner ersten Amtswoche alles in Bewegung gesetzt, um so viel wie möglich von der Politik seines Vorgängers Donald Trump sofort rückgängig zu machen. Von „Sleepy Joe“, wie ihn Trump verächtlich nannte, kann keine Rede sein. Speedy Joe trifft es besser.
Aber wer schnell loslegt, kommt schnell an Grenzen. Ein Bundesrichter in Texas hat am Dienstag eines der wichtigsten Versprechen Bidens außer Kraft gesetzt: Das 100-tägige Abschiebemoratorium, das Biden schon am ersten Amtstag aussprach, verletze Bundesrecht, argumentiert der Richter. Dabei nahm er noch nicht einmal Bezug auf eine noch fünf Tage vor dem Ende von Trumps Amtszeit veröffentlichte Regelung des Heimatschutzministeriums. Nach der braucht jegliche Änderung der Migrationspolitik mindestens ein halbes Jahr Vorlauf und Abstimmung mit den Bundesstaaten. Ob diese Verordnung ihrerseits zulässig ist, wird vermutlich ebenfalls Gerichte beschäftigen.
Für Menschen, die akut von Abschiebung bedroht sind, heißt das zunächst neue Unsicherheit. Möglich, dass die Verfügung aus Texas von der nächsten Instanz gekippt und vom Obersten Gericht wieder bestätigt wird. Oder andersherum. Dabei wollte sich Biden mit dem Moratorium vor allem Zeit verschaffen, um weiterreichende Reformen der Migrationspolitik formulieren und verabschieden zu können.
Unabhängig davon, wie der Rechtsstreit um das Moratorium ausgeht: Er zeigt vor allem die begrenzte Reichweite des Regierens mit Dekreten, von denen Biden in seiner ersten Woche mehr unterzeichnet hat als je ein Präsident vor ihm. Es ist ein ewiges Pingpong: Trump machte Obamas Dekrete rückgängig, Biden Trumps. Natürlich ist das besser als Nichtstun, zumal angesichts der denkbar knappen demokratischen Kongressmehrheit offen ist, was in den ersten zwei Jahren dort eigentlich zu schaffen ist.
Aber die Versuchung ist groß, sich gar nicht erst um Kongressmehrheiten zu bemühen, wo Dinge per Dekret erst einmal geregelt sind. Doch Gesetze sind nicht einfach per Federstrich rückgängig zu machen. Bidens Wunsch nach Einheit der USA wird genau hier mit Führungskraft ergänzt werden müssen. Auf viele Trump-Wähler*innen wirkt eine 100-tägige Aussetzung von Abschiebungen ungefähr wie die Ankündigung, die Polizei werde für 100 Tage keine Morde mehr verfolgen. Schafft es Biden nicht, diese Irrationalitäten aufzuknacken, bleiben die US-Amerikaner*innen sich selbst spinnefeind und seine Politik bleibt nur ein Strohfeuer.
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Schwerpunkt US-Präsidentschaftswahl 2020
Kommentar von
Bernd Pickert
Auslandsredakteur
Jahrgang 1965, Nicaragua-Aktivist in den 80ern, seit 1994 in der taz-Auslandsredaktion. Spezialgebiete USA, Lateinamerika, Menschenrechte. 2000 bis 2012 Mitglied im Vorstand der taz-Genossenschaft. In seiner Freizeit aktiv bei www.geschichte-hat-zukunft.org
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