Biblis-Abschaltung war rechtswidrig: RWE will Schadenersatz

Den Steuerzahlern drohen Kosten in dreistelliger Millionenhöhe: Weil die hessische CDU-Regierung beim Atomausstieg geschlampt hat.

Thermal-Aufnahme des AKW Biblis aus dem Jahr 2011. Bild: reuters

LEIPZIG/BERLIN rtr/taz | Fast drei Jahre nach der Atomwende flammt der Streit zwischen den AKW-Betreibern und der Politik wieder auf. Der Energiekonzern RWE kündigte nach einem Erfolg vor Gericht an, er verlange Schadenersatz für die 2011 verfügte dreimonatige Stilllegung seines Atomkraftwerks Biblis.

„Wir werden jetzt unseren wirtschaftlichen Schaden zivilrechtlich geltend machen“, sagte eine Sprecherin am Dienstag. Zur Höhe des Schadens äußerte sich RWE nicht; Branchenexperten gehen von einem niedrigen dreistelligen Millionenbetrag aus. RWE hatte als einziger Versorger gegen das dreimonatige Atommoratorium geklagt, das nach der Reaktorkatastrophe von Fukushima 2011 verhängt wurde. Dies ging später in den beschleunigten Atomausstieg über.

Das Bundesverwaltungsgericht hatte am Dienstag ein Urteil des Verwaltungsgerichts Kassel zum abgeschalteten AKW Biblis bestätigt. Die Kammer hatte die im März 2011 vom Hessischen Umweltministerium für drei Monate angeordnete Stilllegung der Blöcke A und B der Anlage für rechtswidrig erklärt.

Hintertürchen offengelassen

RWE sei nicht ausreichend Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben worden. Eine Revision hatten die Kasseler nicht zugelassen. Dagegen hatte das Hessische Umweltministerium Beschwerde eingelegt, die das Bundesverwaltungsgericht nun zurückwies.

Bundesumweltministerin Barbara Hendricks sagte in einer Stellungnahme: „Das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts ist zu respektieren. Die Begründung aber werden wir abwarten und auswerten. Die Entscheidung ändert jedoch nichts daran, dass der Atomausstieg unumkehrbar ist.“

Sylvia Kotting-Uhl, atompolitische Sprecherin der Grünen, kommentierte: „Jetzt rächt sich die Schlampigkeit der hessischen Regierung.“ Auch die Bundesregierung trägt ihrer Ansicht nach Mitschuld an der gerichtlichen Niederlage: „Sie wollte sich beim AKW-Moratorium zunächst ein Hintertürchen für das Wiederanfahren offen halten und gab den Ländern dafür nur eine schlechte Pauschal-Vorlage mit Wischi-Waschi-Begründung“, sagte Kotting-Uhl.

Die amtierende hessische Umweltministerin Lucia Puttrich (CDU) erklärte hingegen, die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts treffe keine Vorentscheidung, „ob überhaupt Schadenersatzansprüche des Betreibers gegenüber dem Land bestehen“. Diese müssten in einem weiteren Verfahren geklärt werden. Puttrich verwies zudem darauf, dass die dauerhafte Stilllegung des Kraftwerks nicht betroffen sei.

EON will acht Milliarden Euro Schadenersatz

Der Bund und die Länder hatten sich nach der Reaktorkatastrophe in Fukushima darauf verständigt, die sieben ältesten Atomkraftwerke vorerst abzuschalten. Im Sommer folgte der beschleunigte Atomausstieg mit dem endgültigen Aus für diese Anlagen und den Pannenreaktor in Krümmel.

Die restlichen neun Atomkraftwerke in der Bundesrepublik müssen bis 2022 vom Netz. Auch gegen die endgültige Stilllegung klagt RWE. E.ON und Vattenfall tun dies ebenfalls, der vierte im Bunde, der vom Land Baden-Württemberg wesentlich kontrollierte EnBW-Konzern, hingegen nicht.

Allein E.ON will vom Steuerzahler acht Milliarden Euro Schadenersatz kassieren. Die Verfahren von E.ON und RWE dürften vom Bundesverfassungsgericht entschieden werden. Wann dies geschieht ist offen.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.