Bibliotheken im Leihbetrieb: Erst Schlange, dann Schmökern
Mal schnell in die Bibliothek – auch das ist mit Geduld verbunden. Denn anstehen muss man schon, wenn nur wenige Dutzend hineindürfen.
„An einem Tag ist kaum jemand da, am nächsten warten die Menschen fast bis zum Halleschen Tor“, erzählt einer der Sicherheitsleute. „Total unkontrolliert“ würden die Leute in die Bibliothek kommen, kommentiert er den Andrang seit der – eingeschränkten – Wiederöffnung der Bibliotheken.
Insgesamt scheint alles aber recht routiniert abzulaufen. Trotz Wartezeit ist man schnell im Gebäude. Durch die hohen Glasfenster wird der Saal nicht nur mit Tageslicht, sondern auch mit frischer Luft versorgt. Das Gästelimit verhindert ein allzu großes Gedränge: Am Eingang wird gezählt, wie viele Menschen reinkommen, und immer, wenn jemand geht, dürfen andere nachrücken.
Fraglich ist, ob die Schlange draußen den Bibliotheksbesuch für andere noch begehrlicher machen könnte. Schließlich können Warteschlangen auch eine Art Werbeeffekt entwickeln. Vielleicht liegt es am Gefühl der künstlichen Knappheit, das sie erzeugen. Oder es geht einfach nur darum, auch haben zu wollen, wofür andere sogar zum Warten bereit sind.
Schlangen vor dem Eingang
Die Schlange vor der Gedenkbibliothek hat wohl pragmatischere Gründe: Aufgrund der „aktuellen Situation“ dürfen höchstens 60 Leute gleichzeitig ins Gebäude. Kurz nach der Öffnung könne der Ansturm dann schon mal etwas größer werden, sagt ein Bibliothekar. Die Öffnungszeiten sind verkürzt, erst mittags um 14 Uhr statt wie sonst um 10 Uhr öffnen sich die Türen. Könnte der Grund für die größere Nachfrage also auch am kürzeren Zeitfenster liegen? Und könnten die Bibliotheken dann nicht einfach etwas länger aufmachen?
„Gerade geht es nicht länger, das liegt an den Verordnungen zum Arbeitsschutz“, erklärt Anna Jacobi, Sprecherin der Zentral- und Landesbibliothek. Um Kontakte zu reduzieren, würden die Bibliothekar:innen momentan in zwei Gruppen aufgeteilt: Ein Team kümmert sich vor der Öffnung um den Aufbau, während das andere die Gäste berät. Dass die Nachfrage gerade groß ist, kann Jacobi aber verstehen: „Man merkt schon, dass wir den Leuten gefehlt haben.“
In Schlangen zu stehen war vor Corona schon ein mehr oder weniger akzeptierter Teil des Alltags. Etwa beim ewigen Warten vor dem Club oder auch nur vor der Blätterteigbäckerei mit den guten Zimtschnecken. Da lässt es sich in der relativ kurzen Bibliotheksschlange locker aushalten – am besten direkt schon was zum Lesen mitnehmen.
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