Biathlon-Star gibt Karriereende bekannt: Magdalena Neuners letzter Schuss
Genug gelaufen und geschossen. Magdalena Neuner stellt die Flinte weg. Die Größte-Biathletin-aller-Zeiten (GröBaZ) wird bei "Sturm der Liebe" mitspielen und sehnt sich nach Normalität.
BERLIN taz | Magdalena Neuner will nicht mehr mit dem Kleinkalibergewehr auf Scheiben schießen und nach diesem Pengpeng wie vom Elch gebissen über Loipen skaten. Sie hört nach der Weltmeisterschaft in Ruhpolding im März des kommenden Jahres auf. Sie sehne sich nach Normalität, ließ sie in einem Brief wissen, den sie gestern auf ihrer Internetseite veröffentlichte.
Welche Normalität meint die erfolgreichste Biathletin aller Zeiten? Die Wallgauer Gemütlichkeit mit Stricken, Harfe spielen und "Sturm der Liebe" schauen? Vielleicht. Aber was ist schon noch normal für eine Sportlerin, die ihr halbes Leben mit Biathlon verbracht, alles gewonnen hat und zur öffentlichen Person geworden ist.
Neuner ist mit ihrem Sport Einkommensmillionärin geworden ist und macht Werbung für Bier, Wolle, Parkett, das Finanzwesen und eine Unterwäschefirma. Für diese Marke hat sie, das anständige bayerische Mädel, sogar die Hüllen fallen lassen und nur noch BH und Höschen angelassen. Damals wurde das von ihrer Agentur als Imagewandel verkauft.
Neuner sollte nicht mehr nur als lieb, nett, ehrlich und bodenständig gelten, sondern auch ein bisschen doppelbödig und verrucht sein. Man darf sagen: Dieser Imagewandel hat nicht funktioniert - er ist vom kleinbürgerlichen Biathlon-Publikum auch gar nicht erwünscht. Die holen sich Winterwochenende für Winterwochenende das Plopp-Plopp-Plopp der Biathleten ins Wohnzimmer und wollen nicht mit Spitzfindigkeiten oder gar kritischen Worten belästigt werden.
Keine Lust mehr auf Zirkus
Neuner passt wie keine Zweite in dieses Schema F des Biathlonfernsehsports. Lächelnd läuft sie, zugeklebt mit einem Dutzend Werbeaufnähern, in den Winterwald hinein, ballert wie ein Wildschütz herum, und im Ziel lässt sich das patente Flintenweib für den neuesten Coup von den Fans feiern. Supi, supi, Lena!
Neuner ist Publikumsliebling und "Zugpferd", wie es heißt. Die TV-Gewaltigen und auch ihr Management dürften sie gedrängt haben, weiterzumachen. Denn Biathlon bringt Quote. Und mit Neuner auf dem Podium bringt Biathlon noch mehr Quote. Aber die gerade mal 24-Jährige hat offensichtlich genug von dem Zirkus, von der Reiserei, dem ewigen Training, der hohen Belastung im Leistungssport.
Schon vor der letzten Saison hatte sie angekündigt, nur noch von Jahr zu Jahr zu denken. Vor diesem Winter zirkulierten dann sehr konkrete Rücktrittsgerüchte. Sie selbst hatte sich schon vor längerem entschieden, aber aus "organisatorischen Gründen", wie sie schreibt, aus ihrem Herzen eine Mördergrube gemacht. Natürlich prasselten Fragen nach einem möglichen Karriereende auf sie herab.
"Es wurde sehr viel spekuliert und ich musste mich immer wieder herauswinden und um den heißen Brei herumreden", so hat Magdalena Neuner den medialen Spießrutenlauf erlebt. Jetzt sei sie froh, endlich aussprechen zu können, was sie denke. "Ich habe eine Entscheidung getroffen, die für mich persönlich richtig und auch sehr gut überlegt ist." Ihr sei diese kleine Schummelei im Nachhinein "sehr unangenehm".
"Sturm der Liebe" als Normalität?
Was hat sie nun vor, die Lena? Die beliebteste Sportlerin Deutschlands wird sicherlich mit Werbung noch den einem oder anderen Euro verdienen können. Sie macht ihren Trainerschein, C-Lizenz. Sie will Kinder kriegen ("Das Thema Familienplanung spielt für mich eine Rolle"). Sie spielt in der ZDF-Telenovela "Sturm der Liebe" mit; ab dem 2. Januar ist sie als Magdalena Neuner in den Folgen 1446 bis 1449 zu sehen.
Das öffentlich-rechtliche Fernsehen könnte sie als Expertin gut gebrauchen, und wer weiß, vielleicht steht ja vor den Olympischen Winterspielen in Sotschi ein spektakuläres Comeback an. Wäre es nicht auch eine Verschwendung von Ressourcen, wenn eine Athletin auf der Höhe ihres Schaffens abtritt? Kann sie nicht noch Medaillen sonder Zahl gewinnen für die deutsche Wintersportnation? Aber ja doch.
Jetzt sei ihr erst mal Ruhe gegönnt, "für Dinge, die ich in meinem Sportlerleben nie machen konnte". Sie wolle Ideen entwickeln und sei für Anregungen dankbar, sofern diese Anregungen "zu mir passen". Bevor sie aber mit der Normalität, der Ruhe und den Ideen so richtig loslegen kann, muss Magdalena Neuner noch ein strammes Programm absolvieren.
Am Wochenende ist Weltcup in Hochfilzen. Da muss sie wieder laufen und tausend Fragen über ihren Rücktritt beantworten. Es ist absehbar, was sie sagen wird. In etwa das: "Es wird für uns alle bestimmt eine ganz schöne Saison und ich würde sagen - lasst sie uns einfach so richtig genießen und zusammen feiern!" Ski Heil.
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