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Bezahlkarte für Asylbewerber„Überwacht und kontrolliert“

Der Brandenburger Landkreis Märkisch-Oderland preschte mit einer eigenen Version der Bezahlkarte vor. Widerstand wächst.

Die Bezahl­karte für Asylbewerber im Landkreis Märkisch-Oderland Foto: Patrick Pleul/dpa

Seelow taz | Weißer Grund, links zwei geschwungene Formen, rot und blau, in der oberen rechten Ecke der Schriftzug „MOL – Landkreis Märkisch-Oderland“, unten rechts das Emblem von Mastercard. Der Landkreis Märkisch-Oderland, östlich von Berlin an der polnischen Grenze gelegen, konnte es mit dieser Bezahlkarte für Geflüchtete kaum abwarten. Als erster und einziger Landkreis in Brandenburg führte er sie bereits am 6. Mai ein – lange bevor eine landesweite Regelung überhaupt in Sicht war.

Schon Ende 2023 hatten sich alle Bundesländer bis auf Bayern und Mecklenburg-Vorpommern auf gemeinsame Standards geeinigt. Der bundesweite Start der Bezahlkarte war eigentlich für Herbst 2024 geplant, verzögert sich aber derzeit wegen einer Klage eines im Vergabeverfahren unterlegenen Unternehmens.

Im Landkreis Märkisch-Oderland sieht die Realität für die rund 1.000 Asyl­be­wer­be­r:in­nen seit Mai so aus: Einmal im Monat müssen sie mit dem Bus in die Ausländerbehörde nach Diedersdorf fahren, um die Bezahlkarte aufladen zu lassen. Vorher hatten sie auf demselben Wege Barschecks erhalten, die sie bei der Sparkasse gegen Bargeld tauschen konnten. Nach Einführung der Bezahlkarte kommen nun monatlich nur noch 50 Euro aus dem Automaten, künftig soll jede Abhebung Geld kosten. Im Raum stehen derzeit 1,10 Euro.

Die Karte ist eine Debit Mastercard und funktioniert dementsprechend überall dort, wo eine reguläre Mastercard auch funktionieren würde. Überweisungen sind mit der Bezahlkarte nur möglich, wenn das Sozialamt vorher die Freigabe für den Zahlungsempfänger gegeben hat. Überweisungen ins Ausland oder an private Konten sind nicht möglich. Asyl­be­wer­be­r:in­nen müssen demnach sämtlichen Zahlungsverkehr gegenüber dem Amt angeben und genehmigen lassen – sei es eine Fit­ness­stu­dio­mit­glied­schaft, der Handyvertrag oder Kosten für Rechtsbeistand. So weit die Rahmenbedingungen der Karte, aber wie sieht das in der Praxis aus?

Ich fühle mich durch die Karte überwacht und kontrolliert, sagt ein Geflüchteter aus dem Landkreis Märkisch-Oderland

„Ich bin frustriert über die Karte, ich fühle mich durch sie überwacht und kontrolliert“, sagt ein Geflüchteter aus dem Landkreis Märkisch-Oderland, der seinen Namen lieber nicht in der Zeitung lesen will. Zu groß ist die Angst, dass negative Äußerungen über die deutsche Asylpolitik seine noch ausstehende Asylentscheidung beeinflussen. Er bemühe sich, Deutsch zu lernen, grüße die Menschen auf der Straße und verstehe nicht, warum es ihm zusätzlich schwergemacht wird. „Einen Döner mit Karte zahlen? Nicht möglich“, sagt er. Und je mehr man nachfragt, je länger wird die Liste der Orte, an denen Kartenzahlung zum Problem wird: günstige Friseure, der Bus, der erschwingliche Krims-kramsladen in der Kreisstadt Seelow, Flohmarkt, Wochenmarkt – die Aufzählung ließe sich fortsetzen.

Ein gesonderter Status

„Das ist dann eben so“, quittiert Vizelandrat Friedemann Hanke diese Umstände. „Asylbewerber haben nun einmal einen gesonderten Status.“

Der CDU-Politiker ist als Sozialdezernent federführend bei der Bezahlkarte zuständig. „Das sind ja nicht Menschen, die hier leben, sondern Menschen, deren Asylanspruch geprüft wird“, sagt Hanke. Den Anspruch, ihr Geld frei zu nutzen, könnten Menschen dann stellen, wenn sie „Teil der Gesellschaft geworden sind“.

Nach Hankes Verständnis soll die Karte vor allem „ein Zeichen setzen“, das sich so zusammenfassen lässt: Hier gibt es das Geld nicht einfach so. Vor der Bezahlkarte sei das „dramatische“ Zeichen an Menschen auf der Flucht gewesen: Wer nach Deutschland kommt und einen Asylantrag stellt, bekomme sofort monatlich Geld zur freien Verfügung. Noch dazu mehr als das, was Menschen in ihren Heimatländern zur Verfügung gehabt hätten. So gesehen sei die Bezahlkarte doch vielleicht eine „charmante Maßnahme“, findet Hanke. „Na ja, charmant ist vielleicht das falsche Wort, aber ich halte die Karte für eine gute Lösung“, verbessert sich Hanke.

„Politik der Abschreckung und Abschottung“

Um die fehlenden Belege dafür, dass Instrumente wie die Bezahlkarte tatsächlich irgendeinen Einfluss auf Flucht­entscheidungen haben, weiß Hanke. Auch, dass die Karte lokalpolitisch wenig ausrichten kann, weil sich Asyl­be­wer­be­r:in­nen ohnehin nicht aussuchen können, wohin sie verteilt werden. Die Karte hat für Hanke daher eine „psychologische Wirkung“. Kirstin Neumann vom Flüchtlingsrat Brandenburg findet für die Entscheidungen des Landkreises andere Worte: „Anders als rassistische Symbolpolitik kann man das gar nicht nennen“, sagt sie. Die Karte sei Teil einer „Politik der Abschreckung und Abschottung“. Es sei „schikanierend und diskriminierend“, dass man Menschen nicht eigenständig über ihr Geld entscheiden lässt.

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Laut Flüchtlingsrat falle der Landkreis Märkisch-Oderland immer wieder durch restriktive Politik im Bereich Asyl auf. Da wäre zum Beispiel ein Mitte des Jahres geplantes „Ausreisezentrum“, praktisch eine Abschiebeeinrichtung, auf der Oderinsel Küstrin-Kietz. Mit Hankes damaligen Worten habe der Landkreis den unattraktivsten Ort für das Zentrum ausgewählt, damit „Menschen einfach nur noch wegwollen“.

Kritik übt der Flüchtlingsrat auch daran, dass der Landkreis Märkisch-Oderland sich mehrere Jahre lang gegen elektronische Gesundheitskarten für Asyl­be­wer­be­r:in­nen sperrte und stattdessen weiter auf eine komplizierte Überweisungsmethode mit Behandlungsschein setze. Es entstünde der Eindruck eines „Diskriminierungswettbewerbes“, bei dem sich der Landkreis Märkisch-Oderland einen Vorteil verschaffen wolle, so Kirstin Neumann.

Gegenmaßnahmen im Kreis

Doch im Landkreis regt sich auch Widerstand gegen den Bezahlkarten-Alleingang von Friedemann Hanke und Landrat Gernot Schmidt (SPD). Zwei, die sich mit ihrem zivilgesellschaftlichen Engagement gegen das migrationsfeindliche Klima stellen, sind Jutta Krause und Sabine Grauel. Gemeinsam sind sie bei den Omas gegen rechts und der Initiative Offenes Märkisch-Oderland aktiv – „damit der Landkreis weiterhin bunt bleibt“, wie sie sagen. Auch das geplante „Ausreisezentrum“ war in der Vergangenheit schon Gegenstand einer Mahnwache des Bündnisses.

„Bitte helft uns, bitte macht was“ – so hätten sich die Geflüchteten wegen der Bezahlkarte gemeldet, erzählen Krause und Grauel. Und so seien sie Ende Oktober das erste Mal gemeinsam mit einer geflüchteten Person in den Supermarkt gegangen, um Bargeld gegen Gutscheine zu tauschen. Daraus sei dann eine organisierte Tauschaktion geworden. „Bisher ist das Modell noch nicht ganz ausgereift“, sagt Sabine Grauel. „Besonders auf dem Land ist so eine Tauschaktion logistisch schwierig“, ergänzt Jutta Krause. Über eine E-Mail-Adresse organisieren sie Menschen im Landkreis, die den Asyl­be­wer­be­r:in­nen Gutscheine der gängigen Supermarktketten abkaufen. „Und das wiederholen wir so lange, bis es keine Bezahlkarte mehr für Geflüchtete gibt“, heißt es auf dem Flyer der beiden.

Sozialdezernent Hanke zeigt sich davon unbeeindruckt: „Das kann man eh nicht verhindern“, sagt er. Ebenso wenig sieht er eine Ungleichbehandlung von Geflüchteten, die durch die kommunal unterschiedliche Ausgestaltung der Bezahlkarte entsteht. Auf die landesweite Lösung habe er nicht setzen wollen, denn die Entscheidung läge klar in den Händen der Landkreise. „Der Flickenteppich ist auch ein Teppich – manchmal sogar ein sehr schöner.“

Bisher ist die landesweite Einführung der Bezahlkarte in Brandenburg für Februar geplant. Ob Brandenburg den Termin aber aufgrund der ausstehenden Klage gegen das Vergabeverfahren einhalten kann, ist unklar. Derweil will ausgerechnet die Landeshauptstadt Potsdam die Karte nicht ausgeben, wie die Potsdamer Neuesten Nachrichten berichteten. Widerstand gegen die Bezahlkarte kam von der Potsdamer SPD, aber auch von den Fraktionen Die Grünen/Volt/Die Partei, Die Andere und Die Linke. Eine Weisung des Brandenburger Innenministeriums, die Potsdam zur Einführung zwingen könnte, gibt es bisher nicht.

Dass es auch Wege geben könnte, die Bezahlkarte so auszugestalten, dass sie Integration und Teilhabe fördert, zeigt sich an dem Beispiel von Hannover. Dort hatte der grüne Oberbürgermeister Belit Onay die „SocialCard“ so gestaltet, dass Asyl­be­wer­be­r:in­nen den vollen Leistungsbetrag in bar bekommen konnten. Dieses Modell musste allerdings nicht mal ein Jahr nach Einführung dem niedersachsenweiten Modell mit den üblichen Beschränkungen weichen.

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1 Kommentar

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  • Wieder eine Gegend mehr auf der No-Go-Liste und noch weniger Zutrauen in Ost-SPD und Ost-CDU.