Bewertungsportal für Praktikumsplätze: Die Generation Praktikum schlägt zurück
Die Katze im Sack: Ein Praktikum kann frustrieren, wenn man bei der falschen Firma landet. Nun kann man ihr dann ein schlechtes Zeugnis ausstellen - öffentlich.
BERLIN taz | "… und möchten Ihnen für Ihre berufliche und private Entwicklung alles Gute wünschen." Wer heute ins Berufsleben starten möchte, der kennt diese Floskel gut. Denn das mit der "beruflichen Entwicklung" kann ziemlich schleppend voran gehen. Ohne mehrere Praktika absolviert zu haben, ergattert heute kaum noch jemand eine Festanstellung. Und leider gibt es Arbeitgeber, die das schamlos ausnutzen. Was im Vorstellungsgespräch als "innovatives Projekt" mit "vielversprechenden Zukunftschancen" angepriesen wird, kann sich schnell als endloser Kopiermarathon entpuppen.
Der Kaffee kochende Praktikant - alles nur Klischee? "Nein", sagt Wirtschaftsstudent Daniel Pütz (27), der zusammen mit zwei Kommilitonen meinpraktikum.de gegründet hat. Auch Pütz kennt Praktika, bei denen er zum massenhaften Aktenkopieren abgestellt wurde. "Man glaubt immer, dass es heute so etwas gar nicht mehr gibt. Aber die Realität sieht anders aus", sagt Pütz.
Er war frustriert darüber, dass er vor einem Praktika nie wusste, was ihn erwartet. Darum gründete er mit Stefan Peukert und Joschka Felten die Plattform, mit der sie den Spieß einfach umdrehen. Praktikanten können auf der Seite Unternehmen ein Arbeitszeugnis ausstellen, ungeschönt und für jeden zugänglich.
Dafür gab es Anfang März den IT-Innovationspreis der Initiative Mittelstand. Nun ist es nicht völlig neu, dass man im Internet seinem Arbeitgeber Noten verpassen kann. Das geht zum Beispiel auch auf kanunu.de oder prakti-test.de. Was also soll an der neuen Seite ist so preisverdächtig?
"Das besondere ist, dass wir eine ganz homogene Zielgruppe haben", erklärt Daniel Pütz. Die Seite richtet sich an Studenten und ist komplett auf Praktika ausgelegt. Es gehe aber nicht darum, Firmen öffentlich zu diffamieren. "Wir wollen, dass die Studenten so viele Informationen wie möglich über einen Praktikumsplatz erhalten", so der Student. "Die glatten Stellenbeschreibungen der Unternehmen helfen kaum weiter."
Mit dem Bulli durch das Land
Bevor die drei Studenten die Plattform starteten, bereisten sie im Bulli alle großen Universitäten im Land. Überall haben sie die Studenten nach ihren Erfahrungen mit Praktika gefragt. Herausgekommen sind sechs Bewertungskategorien und hunderte persönliche Praktikumserfahrungen. Die brauchten sie unbedingt, denn sonst hätten sie mit einer leeren Seite starten müssen.
Aus reiner Praktikantensolidarität betreiben die beiden das Portal jedoch nicht. Pütz, Peukert und Felten sind große Risiken eingegangen und haben einen Kredit in fünfstelliger Höhe aufgenommen. Das Geld möchten sie mit Werbeeinnahmen wieder reinholen. Neben der Bewertungsfunktion können Unternehmen auf dem Portal auch ihre Praktikumsplätze anpreisen – das werde, so Pütz, aber strikt getrennt von den Bewertungen der Praktikanten.
Im Moment rentiere sich die Seite noch nicht. Bisher konnten sie 17 Unternehmen gewinnen. Sie brauchen mehr, wenn sie schwarze Zahlen schreiben wollen. Das Studium spielt für die beiden im Moment keine Rolle. Sie stehen zwar kurz vor der Master-Abschlussarbeit. Doch die muss warten. "Das Unternehmen ist ein Fulltime-Job", sagt Pütz. Aber die Uni Witten unterstütze sie. Anfang April wollen sie wieder durch das Land reisen und ihre Seite bekannter machen.
Denn viele Unternehmen findet man noch nicht bei den Bewertungen, besonders für Studenten in Ostdeutschland ist die Seite im Moment noch wenig hilfreich. Leipzig, Dresden und Chemnitz kommen auf meinpraktikum.de zusammen nur auf 14 Unternehmen.
Darum bekommen Pütz, Peukert und Felten jetzt Unterstützung - von einer Praktikantin. Sie darf die Arbeit bei dem jungen Unternehmen anschließend natürlich bewerten, versichert Pütz. Die taz kommt bei meinpraktikum.de übrigens gut weg, trotz niedriger Entlohnung.
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