Bewerbungsschreiben für Marsflug: Mit Bier zum Roten Planeten
Die NASA sucht Personal für den Flug zum Mars. Unser Autor ist qualifiziert: Er ist seiner irdischen Existenz zutiefst überdrüssig.
Liebe NASA,
ich sag mal „du“ – wir kennen uns zwar nicht, aber ich glaube, dass ihr ein echt lockerer Verein seid. Außerdem verbringen wir bald eine fette Stange Zeit miteinander. Immerhin steht ja eine achtjährige Schulung an für eure crazy Marsmission ohne Wiederkehr, für die ich mich hiermit bewerbe.
Auf den ersten Blick erfülle ich das Anforderungsprofil ja nicht so hundert Pro. Aber ich denke mal, dass ihr sicher noch ein paar Abstriche machen müsst, um überhaupt Bewerber zu bekommen. Denn, Hand aufs Herz, wie soll das denn bitte zusammenpassen: ein fachlich und sozial hoch kompetenter Mensch verlässt in der Blüte seiner Jahre freiwillig die Mitte der Gesellschaft, um nur aus vager Ruhmgeilheit in ewiger Kälte und Dunkelheit Suizid in Raten zu begehen?
Das passt doch eher zu einem psychopathischen Prominentenmörder ohne Grundschulabschluss. Und es passt eben auch zu mir, um hier nun mein persönliches Motiv zur Sprache zu bringen. Ich bin der Dinge so entsetzlich müde.
Einmal in der Woche ruft mich so ein taz-Heini an und schreit in den Hörer, ich hätte zwei Stunden Zeit, einen Text zu einem komplett sinnlosen Thema zu entwerfen. Und das ist sogar noch der glücklichere Fall, denn meistens schweigt das Telefon. Dann sitze ich nur da und warte. Ich möchte sehr gerne auf den Mars.
Also dröseln wir die verlangten Kriterien mal der Reihe nach auf: Marserfahrung wünschenswert, aber nicht obligatorisch – da kommt schon mal das erste Häkchen dran. Mindestalter achtzehn Jahre – ganz dickes Häkchen! Dazu müssen die Teilnehmer einen Abschluss in Ingenieurswissenschaften, Biologie, Physik, Informatik oder Mathematik vorweisen.
Acht Jahre trainieren
2022 soll laut Ausschreibung der erste Flug mit je zwei Frauen und zwei Männern steigen. Davor liegt besagtes achtjähriges Training. Die Bewerbungsfrist wiederum endet am 18. Februar 2016. 2022 minus 2016 ist gleich: na, liebe NASA? Zeigt mir erst mal euren Mathematikabschluss, dann zeig ich euch meinen.
Nächster Punkt: „Tausend Flugstunden mit einem Jet“ soll der Bewerber absolviert haben. Das wird nicht ganz leicht, da muss ich mal addieren. Mit meinen Fernreisen der letzten Jahre kommt schon ordentlich was zusammen; neben einem ökologischen Fußabdruck wie ein Riesendreckschwein eben auch ein Haufen Flugstunden. Mit Verspätungen (Edathy Airways) und Wartezeiten (dito) könnte ich, großzügig aufgerundet, auf die Zeiten kommen.
Des Weiteren muss man die US-Staatsbürgerschaft besitzen. Bis zum 18. Februar kriege ich das nicht mehr ganz hin, wegen Weihnachten (Mutter!) und im Januar (kalt!) Urlaub (Sri Lanka, immerhin weitere Flugstunden), aber ich erkläre mich selbstverständlich bereit, den Wisch bei Gelegenheit nachzuliefern. Das Land der Freien und das Heim der Braven ist für jemanden wie mich doch wie gemalt.
Fürs Klima ist jemand anders zuständig
Den Einstellungstest, also den Test meiner Einstellung, bestehe ich mit links: Menschenrechte sind überbewertet, das Klima macht der liebe Gott, und schießen kann ich auch. Letzteres könnte sich als nützlich erweisen. Denn sollten sich wider Erwarten Marsmenschen finden, wird es nötig sein, sie weitestgehend auszurotten, die Überlebenden in Reservate zu sperren, sie mit ihnen unbekannten Krankheiten zu infizieren, durch Alkohol zu zerstören, sie zu entrechten, als „Grünlinge“ zu diskriminieren und so vergessen zu lassen, dass ihnen einst der ganze Mars gehörte.
Aber da ihr so viele Bedingungen stellt, habe ich hier nun auch mal zwei. Erstens: Gibt es denn auch Bier in eurem Raumschiff? Und noch was: Wir sollen den Mars ja dann auch besiedeln und uns dort vermehren oder hab ich da was falsch erstanden? Ich würde mir also Folgendes wünschen: Die beiden mitreisenden Frauen müssen jetzt nicht supertop aussehen, aber nett, schlau und witzig wäre schön. Und nicht so schrille Piepsstimmen, bitte – davon bekomme ich Kopfschmerzen. Und der Mann darf gerne schwul sein, das ist völlig okay.
In der Anlage findet ihr neben dem ausgefüllten Bewerbungsformular Kopien von Abiturzeugnis, Reisepass, Jugendherbergskarte, Impfausweis, Personenbeförderungsschein und Freischwimmer.
Liebe Grüße, dein Uli
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Anschlag in Magdeburg
„Eine Schockstarre, die bis jetzt anhält“
Nach dem Anschlag in Magdeburg
Rechtsextreme instrumentalisieren Gedenken
Bundestagswahl 2025
Parteien sichern sich fairen Wahlkampf zu
Erderwärmung und Donald Trump
Kipppunkt für unseren Klimaschutz
Bundestagswahl am 23. Februar
An der Wählerschaft vorbei
Exklusiv: RAF-Verdächtiger Garweg
Meldung aus dem Untergrund