Beweis-Video im Fall Aaron Swartz: Junger Mann im Netzwerk-Raum
Aaron Swartz beging Suizid, weil ihm wegen Hackens eine harte Strafe drohte. Jetzt ist das Video an die Öffentlichkeit gelangt, das die Ermittlungen gegen ihn ausgelöst hatte.
Dunkelheit, Lämpchen blinken, nur durch einen Türschlitz dringt Licht von draußen. Plötzlich wird es hell, sichtbar wird ein karger Raum mit digitalen Gerätschaften. Die Tür öffnet sich und herein tritt ein junger Mann mit Rucksack und Fahrradhelm. Der holt aus seinem Gepäck einen Karton heraus, dem er eine Festplatte entnimmt, Er bückt sich und macht sich außerhalb des Bildes an etwas zu schaffen. Minutenlang sieht man nichts – nur ein Kabel bewegt sich. Schließlich packt der junge Mann seine Sachen wieder zusammen, löscht das Licht und verschwindet.
Die Kamera, die das alles aufzeichnete, war in einem Netzwerk-Raum des Massachusetts Institute of Technology (MIT) installiert. Und der junge Mann, den sie im Fokus hatte, ist der Hacker-Aktivst und Reddit-Gründer Aaron Swartz, der wegen der festgehaltenen Szenen vor Gericht landete. Swartz begann im Januar 2013 Selbstmord. Die Aussicht auf eine jahrzehntelange Haft ertrug er nicht.
Die Aufzeichnung war tatsächlich der Auslöser der Ermittlungen gegen Swartz. Kevin Poulsen, ein Freund von Swartz, veröffentlichte jetzt im Magazin Wired das Video. In einem //www.wired.com/threatlevel/2013/07/swartz-foia/:Gerichtsverfahren gegen das US-Heimatschutzministerium konnte Poulsen auf Grundlage des Freedom of Information Act die Herausgabe des Videos und //www.documentcloud.org/documents/874555-swartz-foia-release-3.html:weiterer Dokumente zum Fall Swartz erzwingen.
Empfohlener externer Inhalt
Das Video stammt vom Januar 2011, da hatte es schon ein monatelanges Katz-und Maus-Spiel zwischen MIT-Beschäftigten und einem bis dahin unbekannten Hacker gegeben. Der lud Millionen von Artikeln des Dienstes JSTOR herunter. JSTOR bietet die Online-Version akademischer Journale an, und das MIT hat ein Abo, dass den Studenten von seinem Netzwerk aus freien Zugang auf JSTOR erlaubt. Jemand hatte diesen Zugang dazu genutzt, um automatisch einen Artikel nach dem anderen herunterzuladen – zeitweise in so dichter Folge, dass sich die JSTOR-Webseite verlangsamte.
Anfang Januar konnten die Techniker die Downloads zu dem Raum im Untergeschoss des Gebäudes 16 zurückverfolgen. Dort fanden sie einen Laptop versteckt, der mit dem Netzwerk vom MIT verbunden war. Zusammen mit herbeigerufenen Polizeibeamten entschieden sie, das Gerät an seinem Platz zu lassen und eine Kamera zu platzieren, um den Laptop-Besitzer zu identifizieren. Kurz nachdem Swartz ins Bild geriet, wurde er noch in der Nähe des Raumes verhaftet.
Die Ermittler der FBI in Boston brachten den Fall unter kräftiger Mitwirkung des MIT vors Gericht. Im Sommer 2011 wurde er des Computerbetrugs angeklagt. Der Prozess war für den April 2013 angesetzt. Die zuständige Staatsanwältin erklärte nach dem Freitod von Swartz, sie habe dem Richter einen Geständnishandel empfohlen, bei dem nur eine Haft von sechs Monaten fällig geworden wäre. Der Grund dafür: Das Hacking habe nicht der finanziellen Bereicherung gedient. Swartz wollte sich aber auf einen solchen Handel nicht einlassen.
Nicht nur die Justiz, sondern auch das MIT sah sich im Fall Swartz harscher Kritik ausgesetzt. Die Familie des jungen Mannes aber auch prominente MIT Alumni beklagten, die Institution habe ihre eigenen Prinzipien verraten – weil sie sich nicht für eine weniger harsche Behandlung von Swartz durch die Justiz eingesetzt habe.
Im Magazin Wired ergreift auch Poulsen nochmals Partei für Swartz. Nicht das Video, aber Fotos vom Schauplatz des Datenkalus zeigten eine Betontragplatte im Datenraum, vollgekritzelt mit einem Wirrwarr an Graffitis, die teilweise noch aus den frühen 80er Jahren stammen. Generationen von Hackern an jener Institution, die Hacking praktisch erfunden habe, so Poulsen, hätte an einem unerlaubten Ort, an dem sie unerlaubte Sachen getan hätten, ihre Spuren hinterlassen. Im Januar 2011 habe das MIT seine Toleranz für ein solches Verhalten an diesem Ort verloren. OP
40.000 mal Danke!
40.000 Menschen beteiligen sich bei taz zahl ich – weil unabhängiger, kritischer Journalismus in diesen Zeiten gebraucht wird. Weil es die taz braucht. Dafür möchten wir uns herzlich bedanken! Ihre Solidarität sorgt dafür, dass taz.de für alle frei zugänglich bleibt. Denn wir verstehen Journalismus nicht nur als Ware, sondern als öffentliches Gut. Was uns besonders macht? Sie, unsere Leser*innen. Sie wissen: Zahlen muss niemand, aber guter Journalismus hat seinen Preis. Und immer mehr machen mit und entscheiden sich für eine freiwillige Unterstützung der taz! Dieser Schub trägt uns gemeinsam in die Zukunft. Wir suchen auch weiterhin Unterstützung: suchen wir auch weiterhin Ihre Unterstützung. Setzen auch Sie jetzt ein Zeichen für kritischen Journalismus – schon mit 5 Euro im Monat! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Polarisierung im Wahlkampf
„Gut“ und „böse“ sind frei erfunden
Nach Absage für Albanese
Die Falsche im Visier
Werben um Wechselwähler*innen
Grüne entdecken Gefahr von Links
Streit um tote Geiseln in Israel
Alle haben versagt
Wahlverhalten junger Menschen
Misstrauensvotum gegen die Alten
Berlinale-Rückblick
Verleugnung der Gegenwart