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Bewegungstermine in BerlinSolidarität und Selbstreflexion

Bei einer Großkundgebung wird gegen Israels Vorgehen in Gaza protestiert. Beim „profeministischen Kongress“ diskutieren Männer über das Patriarchat.

De­mons­tran­t*in­nen fordern, die Waffen niederzulegen Foto: Nikos Kanistras/dpa

M indestens zehntausende Tote, hunderttausende Vertriebene, eine systematische Zerstörung von Infrastruktur und Lebensgrundlagen: Israels Vorgehen in Gaza ist ein Verbrechen historischen Ausmaßes – mit deutscher Unterstützung. Die Vereinten Nationen debattieren derzeit in New York über Palästina. Wegen der Weigerung, Palästina diplomatisch anzuerkennen, gerät Deutschland zusehends unter Druck. Zeit, die Bundesregierung aufzufordern, ihre Haltung und Praxis anzupassen.

Unter dem Motto „All Eyes on Gaza – Stoppt den Genozid!“ findet am Samstag auf der Reichstagswiese eine Großkundgebung statt. Aufgerufen hat ein Bündnis der Palästinensischen Gemeinde Deutschland, der Aktivisten-Gruppe eye4palestine und der NGOs Amnesty International und medico international. Es soll keine Demo sein, auf der Hamas-Befürworter*innen den 7. Oktober als „Befreiungsschlag“ feiern. Vielmehr sollen die Stimmen der Betroffenen hörbar werden: Es reden Pa­läs­ti­nen­se­r*in­nen sowie der jüdische Deutsche Michael Barenboim und die Israelin Ella Greenberg, die in Israel den Wehrdienst verweigert hat.

Es treten zudem K.I.Z, Rapper Pashanim und Rapperin Ebow auf – etwas zeitgemäßer als das musikalische Programm bei Sahra Wagenknechts Gaza-Solidaritätsdemo vor zwei Wochen, bei der Didi Hallervorden auftrat. Die Veranstalter rechnen mit mehr als 50.000 Teilnehmer*innen. Die Linkspartei wird eine eigene Gaza-Protestkundgebung in Mitte geben (Samstag, 27.09., Wiese vor dem Deutschen Bundestag, ab 17 Uhr).

Die Spaltung innerhalb der propalästinensischen Bewegung wird am Samstag deutlich: Am Moritzplatz in Kreuzberg rufen weitere Gruppen zu einer Solidaritäts-Demo für Gaza auf. Unter dem Motto „United for liberation, fight normalization“ werfen sie NGOs vor, im Schulterschluss mit ihren Geldgebern Bewegungen zu entpolitisieren und zu schwächen, die nicht im Sinne der Regierungen handelten. „Palästinensisches Blut ist kein Fundraising-Instrument für deutsche NGOs und keine Kulisse für Prominente“, heißt es im Aufruf. „Unser Widerstand ist keine Ästhetik – er ist eine Bewegung für Gerechtigkeit und Befreiung ohne Kompromisse.“ (Samstag, 27.09., Moritzplatz, 14 Uhr).

Zeit für Kritische Männlichkeit

Kompromisslos sind inzwischen auch Flinta*. Antifeministische, ignorante Männer? Kein Bock. Die ersten Flinta* „dezentrieren“ nun Männer (rücken sich selbst, nicht Männer ins Zentrum), die nächsten schließen sich dem „freiwilligen Zölibat“ an und verzichten bewusst auf Sex mit Männern. Wo sind die Cis-Männer, die diese Zustände beenden wollen?

In den Mehringhöfen in Kreuzberg. Von Freitag bis Sonntag diskutieren sie dort beim „profeministische Kongress“ über Feminismus und setzten sich kritisch mit ihrer Männlichkeit auseinander. Es soll weder ein Wettbewerb im progressiven Auftreten noch ein „Befindlichkeitskongress“ werden, in dem Männer sich in ihrer vermeintlichen Opferrolle suhlen. Sie wollen praktische Wege finden, um Verantwortung zu übernehmen und patriarchale Gewalt zu beenden, so die Veranstalter.

Der Kongress richtet sich an all die Männer mit „antisexistischem Anspruch und all diejenigen, die mit patriarchalen Anforderungen und Praxen hadern“. Und was ist mit denjenigen, die ihre Privilegien um jeden Preis verteidigen?

Die wird man nicht erreichen, räumen die Veranstalter ein. Schade – der Kongress bleibt damit wohl in einer elitären linken Blase, die sich an Nagellack und bell hooks orientiert. Ein Tipp: Begriffe wie „profeministische Praxis“ oder „(queer-)feministische Theorien und Praxen als Leitstern“ stoßen bei Andrew-Tate-Fans tendenziell nicht auf Zustimmung. Und trotzdem: Danke für euren Einsatz! (Freitag, 26.09 bis Sonntag, 28.09., Mehringhöfe).

Ein Ort, an dem Männlichkeit oft über Gewalt, Besitz und Ausgrenzung definiert wird, ist im Deutschrap. Im Haus der Kulturen der Welt (HKW) widmet sich am Sonntag im Rahmen der Ausstellung „Global Fascisms“ ein Panel dem Problem: „Härte zeigen – Männlichkeit im Deutschrap“. Rapper*innen, wie Sookee und Gianni Suave diskutieren darin darüber, warum reaktionäre Männlichkeitsbilder im Rap so attraktiv wirken, warum die Haltungen auch im Mainstream anschlussfähig geworden sind und die Nähe zu rechten Ideologien (Sonntag, 28.09., Haus der Kulturen der Welt, 18-20 Uhr).

Zielscheibe dieser vermeintlich „harten Männer“ sind häufig Queere. Wie stark reaktionäre Männlichkeitsbilder mit rechten Einstellungen verbunden sind, zeigen die wiederholten Angriffe auf CSDs. Um den CSD in Oranienburg am Samstag vor Nazi-Übergriffen zu verteidigen, rufen antifaschistische Gruppen zur gemeinsamen Anreise nach Oranienburg auf. Der genaue Treffpunkt wird auf Anfrage bekannt gegeben (Instagram: @csdverteidigen).

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Lilly Schröder
Redakteurin für Feminismus & Gesellschaft im Berlin-Ressort Schreibt über intersektionalen Feminismus, Popkultur und gesellschaftliche Themen in Berlin. Studium der Soziologie und Politik.
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