Betrug und Selbstbetrug beim Golfen: Kreatives Zählen
Beim Golf ist jeder Täter und Ermittler zugleich. Mogeln ist dennoch ein Tabuthema. Komisch nur, dass auf dem Platz seltsame Dinge geschehen.
Eine Bahn mit 8 Schlägen spielen, 7 glauben, 6 sagen, 5 aufschreiben“ (Golfers Mogelarithmetik).
Nur im Golf ist jeder sein eigener Schiedsrichter. Die Selbstbeaufsichtigung entspringt der alten Idee des real gentlemen’s sport. Präambel: Always do what is fair.
Jeder ist Täter und Ermittler zugleich. Beispiel: Hat sich mein Ball beim Ausholen bewegt? Jetzt bin ich mein eigener Advokat: Könnte nicht auch ein Windstoß …? Als Ankläger weiß ich: Nein, keine Ausnahmeregel für einen Straferlass zu finden. Und ich bin Richter: Schuldig im Namen des Golfspiels – ich verurteile mich zu einem Strafschlag. Berufung ausgeschlossen.
Tabuthema Mogeln
Edel ist die Theorie. Dann geht’s auf den Platz, und – hüstel – da wird geschummelt, dass die Grüns rot werden müssten vor Scham. Und jedeR wird schon kleine Regelbeugungen empört von sich weisen.
Ein Tabuthema. Mogeln alle ab und zu? Wenige häufig? Gleicht sich alles aus? Niemand weiß das. Ein Verbands-Regelwart erzählte mir mal, angezeigte Vergehen nähmen seit Jahren zu. Und da seien besonders die Rechtsanwälte auffällig, also: unter den Tätern.
Die golferischen Kleinkriminellen verheddern sich im Labyrinth ihres Seelenlebens – zwischen Ehrgeiz, Versuchung, Vergehen und Gewissenspein. Ein toller Schlag, der im einzigen Grasbüschel im weitem Umkreis versinkt – das empfindet man als große Ungerechtigkeit: „Wie gemein, immer bei mir.“ Oder gleich als narzisstische Kränkung: „Der Platz liebt mich nicht.“ Schuldzuweisung obendrauf: „Wo hat der verdammte Platzwart das Mähen gelernt?“
Zum Ausgleich wird bald bockig ein Branchenscherz wie dieser in die Tat umgesetzt: „Ruft ein Golfer seinem Mitspieler zu, der im seitlichen Gehölz sucht: ‚Ball gefunden?‘ – ‚Ja.‘ – ‚Und, ist er spielbar?‘ – ‚Noch nicht.‘ “ Heißt: Man fummelt ihn schnellfingrig etwas besser hin. Andere lassen unbemerkt einen Ball (Vorbereitung! Vorsatz!) aus der Hosentasche plumpsen: „Da ist er ja, so ein Glück...“
Spiegel des Charakters
Manche zählen, als hätten sie die erste Grundschulklasse übersprungen: „5 für mich“, sagt der Mitspieler. – „Sicher?“ – „Ja: Abschlag, Fairwayschlag, Pitch zum Grün, zwei Putts. 5.“ Vergessen der Chip aufs Grün. Und dass der zweite Putt knapp neben dem Loch endete statt drin. „Sorry, also 6.“ – „Ich komme auf 7!“ – „Ach ja.“ Niemals in der Golfgeschichte hat jemand versehentlich einen Schlag zu viel gezählt.
Besonders fiese Mitspieler kümmern sich um des Gegners Ball. Schwups, finden sie ihn im hohen Gras („hab ihn“), versenken ihn mit kurzem Tritt, zitieren scheinmitleidig des Golfs Grundregel: „Tja, spielen, wie er liegt.“ Fortgeschrittene Täuschungskünstler lassen den Fuß stehen und sagen: „Ich hab schon überall geguckt, nichts zu sehen…“ – und stecken den Ball nachher ein. Wenn man selbst den Ball nur mühsam kurz aus abseitigem Terrain herausgewuchtet bekommt, sagt man gern: „Der lag aber auch richtig fies.“ Botschaft 1: Bitte Mitgefühl; 2: Ich schummle nicht.
Manche haben es auch eilig, vor dem anderen am Grün zu sein: Zack, ein zarter Schubs, unbeobachtet, schon kullert dessen Ball in den tiefen Sandbunker: „Ooch, das ist aber Pech.“ Vom Golfer Donald Trump sind solche Eingriffe hinlänglich dokumentiert. Ein Beweis für Golf als Spiegel des Charakters.
In seinem Buch „Commander in Cheat: How Golf Explains Trump“ hat Autor Rick Reilly viele solcher Vorfälle beschrieben. Nur: Wie hat sich Trump zeitweilig das tolle Handicap von 2,8 zusammengelogen? Reilly wusste nur: „Wenn Trump 2,8 hat, ist Königin Elisabeth eine Stabhochspringerin.“
Aus dem Abc der Vorurteile heute L wie Lügen: „Also, in solch bigotten Schummlerzirkeln möchte ich nicht mitmachen. Diese Golfer aber auch!“ Wahr ist: Golf ist wie das Leben – oft edel und ehrlich, manchmal wie eine kreative Steuererklärung. Und wie oft hat der Autor dieser Zeilen mal eine Regel verletzt, golferisch, steuerlich? Auf der Scorekarte stünde 0. Was denn sonst!
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Wahlprogramm der Union
Scharfe Asylpolitik und Steuersenkungen
Scholz stellt Vertrauensfrage
Traut mir nicht
Krise bei Volkswagen
1.000 Befristete müssen gehen
Rechtsextreme Demo in Friedrichshain
Antifa, da geht noch was
Mord an UnitedHealthcare-CEO
Gewalt erzeugt Gewalt
++ Nachrichten zum Umsturz in Syrien ++
Neue israelische Angriffe auf Damaskus