Betrug und Selbstbetrug beim Golfen: Kreatives Zählen

Beim Golf ist jeder Täter und Ermittler zugleich. Mogeln ist dennoch ein Tabuthema. Komisch nur, dass auf dem Platz seltsame Dinge geschehen.

Tiger Woods im T-Shirt und Käppi mit einem Golfschläger in der Hand

Der bekannteste Golfer der Welt: Tiger Woods Foto: John Middlebrook/imago

Eine Bahn mit 8 Schlägen ­spielen, 7 glauben, 6 sagen, 5 aufschreiben“ (Golfers Mogel­arithmetik).

Nur im Golf ist jeder sein eigener Schiedsrichter. Die Selbstbeaufsichtigung entspringt der alten Idee des real gentlemen’s sport. Präambel: Always do what is fair.

Jeder ist Täter und Ermittler zugleich. Beispiel: Hat sich mein Ball beim Ausholen bewegt? Jetzt bin ich mein eigener Advokat: Könnte nicht auch ein Windstoß …? Als Ankläger weiß ich: Nein, keine Ausnahmeregel für einen Straferlass zu finden. Und ich bin Richter: Schuldig im Namen des Golfspiels – ich verurteile mich zu einem Strafschlag. Berufung ausgeschlossen.

Tabuthema Mogeln

Edel ist die Theorie. Dann geht’s auf den Platz, und – hüstel – da wird geschummelt, dass die Grüns rot werden müssten vor Scham. Und jedeR wird schon kleine Regelbeugungen empört von sich weisen.

Ein Tabuthema. Mogeln alle ab und zu? Wenige häufig? Gleicht sich alles aus? Niemand weiß das. Ein Verbands-Regelwart erzählte mir mal, angezeigte Vergehen nähmen seit Jahren zu. Und da seien besonders die Rechtsanwälte auffällig, also: unter den Tätern.

Die golferischen Kleinkriminellen verheddern sich im Labyrinth ihres Seelenlebens – zwischen Ehrgeiz, Versuchung, Vergehen und Gewissenspein. Ein toller Schlag, der im einzigen Grasbüschel im weitem Umkreis versinkt – das empfindet man als große Ungerechtigkeit: „Wie gemein, immer bei mir.“ Oder gleich als narzisstische Kränkung: „Der Platz liebt mich nicht.“ Schuldzuweisung obendrauf: „Wo hat der verdammte Platzwart das Mähen gelernt?“

Zum Ausgleich wird bald bockig ein Branchenscherz wie dieser in die Tat umgesetzt: „Ruft ein Golfer seinem Mitspieler zu, der im seitlichen Gehölz sucht: ‚Ball gefunden?‘ – ‚Ja.‘ – ‚Und, ist er spielbar?‘ – ‚Noch nicht.‘ “ Heißt: Man fummelt ihn schnellfingrig etwas besser hin. Andere lassen unbemerkt einen Ball (Vorbereitung! Vorsatz!) aus der Hosentasche plumpsen: „Da ist er ja, so ein Glück...“

Spiegel des Charakters

Manche zählen, als hätten sie die erste Grundschulklasse übersprungen: „5 für mich“, sagt der Mitspieler. – „Sicher?“ – „Ja: Abschlag, Fairwayschlag, Pitch zum Grün, zwei Putts. 5.“ Vergessen der Chip aufs Grün. Und dass der zweite Putt knapp neben dem Loch endete statt drin. „Sorry, also 6.“ – „Ich komme auf 7!“ – „Ach ja.“ Niemals in der Golfgeschichte hat jemand versehentlich einen Schlag zu viel gezählt.

Besonders fiese Mitspieler kümmern sich um des Gegners Ball. Schwups, finden sie ihn im hohen Gras („hab ihn“), versenken ihn mit kurzem Tritt, zitieren scheinmitleidig des Golfs Grundregel: „Tja, spielen, wie er liegt.“ Fortgeschrittene Täuschungskünstler lassen den Fuß stehen und sagen: „Ich hab schon überall geguckt, nichts zu sehen…“ – und stecken den Ball nachher ein. Wenn man selbst den Ball nur mühsam kurz aus abseitigem Terrain herausgewuchtet bekommt, sagt man gern: „Der lag aber auch richtig fies.“ Botschaft 1: Bitte Mitgefühl; 2: Ich schummle nicht.

Manche haben es auch eilig, vor dem anderen am Grün zu sein: Zack, ein zarter Schubs, unbeobachtet, schon kullert dessen Ball in den tiefen Sandbunker: „Ooch, das ist aber Pech.“ Vom Golfer Donald Trump sind solche Eingriffe hinlänglich dokumentiert. Ein Beweis für Golf als Spiegel des Charakters.

In seinem Buch „Commander in Cheat: How Golf ­Explains Trump“ hat Autor Rick Reilly viele solcher Vorfälle beschrieben. Nur: Wie hat sich Trump zeitweilig das tolle Handicap von 2,8 zusammengelogen? Reilly wusste nur: „Wenn Trump 2,8 hat, ist Königin Elisabeth eine Stabhochspringerin.“

Aus dem Abc der Vorurteile heute L wie Lügen: „Also, in solch bigotten Schummlerzirkeln möchte ich nicht mitmachen. Diese Golfer aber auch!“ Wahr ist: Golf ist wie das Leben – oft edel und ehrlich, manchmal wie eine kreative Steuererklärung. Und wie oft hat der Autor dieser Zeilen mal eine Regel verletzt, golferisch, steuerlich? Auf der Scorekarte stünde 0. Was denn sonst!

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Sohn des Ruhrgebiets, Jahrgang 1956, erfolgreich abgebrochenes VWL- und Publizistikstudium, schreibe seit 1984 für die taz – über Fußball, Golf, Hambacher Wald, Verkehrspolitik, mein heimliches Lieblingsland Belgien und andere wichtige Dinge. Lebe und arbeite als leidenschaftlich autoloser Radfahrer in Aachen. Seit 2021 organisiere und begleite ich taz-LeserInnenreisen hierher in die Euregio Maas/Rhein, in die Nordeifel und nach Belgien inkl. Brüssel. Bücher zuletzt: "Die Zahl 38.185" - Ein Fahrradroman zur Verkehrswende (2021). "Ach, Aachen!" - Textsammlung aus einer manchmal seltsamen Stadt (2022).

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