piwik no script img

Betrifft: AustellungBremer Raffgier

■ „Ordnungsgemäße“ Versteigerung jüdischen Eigentums

„Aktion 3“ nannte sich das Szenario, das sich ab Anfang der 40er Jahre systematisch in allen deutschen Städten und Dörfern abspielte: die umfassende Versteigerung des Eigentums deportierter Jüdinnen und Juden. Dem widmet sich jetzt eine Austellung in der Villa Ichon, die diesen Sonntag eröffnet wird.

Bereits vor 1941 wurden Maßnahmen ergriffen, die den Beutezug ganz gewöhnlicher Deutscher durch die Wäscheschränke, Schmuckschatullen und Kellerregale der Jüdinnen und Juden vorbereiteten. Ab dem Zeitpunkt der Deportation fiel dieses Vermögen sofort dem Staat zu. Damit auch alles rechtmäßig ablief, wurde 1941 eigens ein Gesetz erlassen, das Juden, die ins Ausland ausreis-ten, die deutsche Staatsangehörigkeit und sämtliches zurückgelassenes Eigentum aberkannte. Diese „Reise ins Ausland“ bedeutete im Klartext die Deportation in die Lager in den besetzten Ostgebieten.

Um die teilweise noch direkt in den verlassenen Wohnungen und Häusern versteigerten Gegenstände bemühten sich damals Nachbarn, Behörden oder verschiedene Einrichtungen. Auch das Juristische Seminar der Universität Bonn vervollständigte seine Bibliothek mit Büchern deportierter Juden.

Die schonungslose Dokumentation für die Ausstellung „Betrifft: Aktion 3. Deutsche verwerten jüdische Nachbarn“ hat Professor Wolfgang Dreßen konzipiert. Erstmals wurde sie 1998 gezeigt – für die Hansestadt aber „bremisch“ aufbereitet.

Zwar handelt es sich bei den Exponaten ausschließlich um Dokumente aus dem Kölner Raum. Aber da in Bremen die namentliche Offenlegung Kölscher Raffgier weniger brisant ist, hat sich eine Forschungsgruppe zur Bremischen „Arisierung“ an der Uni Bremen gebildet, um die fälligen Nachforschungen für den Bremer Raum anzustellen. Oliver Barth, eines der Mitglieder der Forschungsgruppe, weist darauf hin, dass in den täglich stattfindenden Führungen durch die Ausstellung auch über Enteignungen und Versteigerungen in Bremen informiert werden soll. Überdies wird neben einem breiten Rahmenprogramm zur Ausstellung auch eine Informationsveranstaltung über den Raub jüdischen Eigentums in Oldenburg und Bremen stattfinden.

Katharina Borchardt

Eröffnung: Sonntag um 18 Uhr. Öffnungszeiten: Dienstag bis Freitag und Sonntag jeweils von 11-18 Uhr. Führungen täglich um 15 Uhr. Die Ausstellung ist noch bis zum 18.01.02 zu sehen.

Eine Koalition, die was bewegt: taz.de und ihre Leser:innen

Unsere Community ermöglicht den freien Zugang für alle. Dies unterscheidet uns von anderen Nachrichtenseiten. Wir begreifen Journalismus nicht nur als Produkt, sondern auch als öffentliches Gut. Unsere Artikel sollen möglichst vielen Menschen zugutekommen. Mit unserer Berichterstattung versuchen wir das zu tun, was wir können: guten, engagierten Journalismus. Alle Schwerpunkte, Berichte und Hintergründe stellen wir dabei frei zur Verfügung, ohne Paywall. Gerade jetzt müssen Einordnungen und Informationen allen zugänglich sein. Was uns noch unterscheidet: Unsere Leser:innen. Sie müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 50.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Es wäre ein schönes Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen