Betriebswirtin über Share Economy: „Junge Pflanze nicht zertreten“
Die neuen Arbeitsformen von Uber, Airbnb, Foodora oder Deliveroo sind nicht nur schlecht, sagt Betriebswirtin Nora Stampfl.
taz: Frau Stampfl, Sie haben den Begriff „Uberisierung“ geprägt. Er leitet sich ab vom US-Taxi-Dienst Uber. Was unterscheidet die Arbeit seiner Fahrer von der normaler Beschäftigter?
Nora Stampfl: Sie arbeiten offiziell selbstständig, fahren auf Abruf. Ihr Arbeitstag ist oft sehr zerstückelt. Der nächste Auftrag kann schnell kommen oder lange auf sich warten lassen. Sie können sich nicht darauf verlassen, regelmäßig und ausreichend zu verdienen. Ihr Einkommen schwankt häufig stark. Um die Sozialversicherung müssen sich diese Mikro-Unternehmer selbst kümmern, die Arbeitnehmerrechte Festangestellter fehlen ihnen.
Ist das eine Warnung vor diesen neuen Arbeitsformen?
Zunächst geht es mir um die Analyse, was da eigentlich passiert. Firmen wie Uber agieren nicht als Arbeitgeber, sondern als Plattformen. Sie vermitteln Dienste zwischen den Anbietern – den Fahrern – und den Kunden. Dafür verlangen sie einen Teil des Umsatzes als Gebühr. Im Gegensatz zu konventionellen Arbeitsverträgen können die Plattformen ihre Beschäftigungsbedingungen einfach ändern. Sie schmeißen Fahrer kurzfristig raus, wenn die Passagiere sie zu schlecht bewerten. So spüren solche modernen Dienstleister einen höheren Druck als Angestellte in festen Tätigkeiten. Trotzdem ist das nur die halbe Wahrheit.
Was ist das Positive?
45, ist Inhaberin des Büros für Zukunftsfragen in Berlin. Zuvor war sie als Unternehmensberaterin für PWC und IBM tätig.
Viele Uber-Fahrer oder auch Mieter, die ihre Wohnung über die Vermittlungsseite Airbnb an Touristen vermieten, erwirtschaften ein zusätzliches Einkommen. Es handelt sich um Nebenjobs. Sie sind nicht ausschließlich darauf angewiesen. Das belegen Untersuchungen aus den USA. Denken Sie an Lieferdienste wie Foodora und Deliveroo, die den Leuten das Abendessen nach Hause bringen: Für diese Firmen fahren oft Studenten, die sich ein größeres Taschengeld dazuverdienen. Die Tätigkeiten sind flexibel, lassen sich in den Alltag einpassen, ermöglichen also zusätzliche Freiheitsgrade.
Kreative haben die Künstlersozialkasse, die der Staat bezuschusst. Wäre das ein Modell?
In diese Richtung könnte man überlegen. Beispielsweise könnte jede Transaktion mit einer Zahlung in einen Sozialfonds verbunden sein, der den Plattformarbeitern zugutekommt. Wir sollten aber vorsichtig sein bei der Regulierung: Schließlich bieten die neuen Branchen Innovationen, Beschäftigungs- und Verdienstmöglichkeiten, die es früher nicht gab. Man soll die junge Pflanze nicht zertreten.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Anschlag auf Magdeburger Weihnachtsmarkt
Vieles deutet auf radikal-islamfeindlichen Hintergrund hin
Exklusiv: RAF-Verdächtiger Garweg
Meldung aus dem Untergrund
Keine Konsequenzen für Rechtsbruch
Vor dem Gesetz sind Vermieter gleicher
Anschlag in Magdeburg
„Eine Schockstarre, die bis jetzt anhält“
Russische Männer auf TikTok
Bloß nicht zum Vorbild nehmen
Wirbel um KI von Apple
BBC kritisiert „Apple Intelligence“