Betreiber wollen Kraftwerke stillegen: 28 Anlagen sind unrentabel
Wegen des Booms bei erneuerbare Energien wollen Betreiber Gas- und Kohlekraftwerke abschalten. Dabei werden sie als Reserve weiter gebraucht.
FREIBURG taz | Wegen des Booms der Ökoenergie werden immer mehr konventionelle Kraftwerken in Deutschland unrentabel: Der Bundesnetzagentur liegen derzeit 28 Anträge zur Stilllegung von Kraftwerken vor, sagte deren Präsident Jochen Homann. Viele Gas- und Kohlekraftwerke sind nämlich nicht mehr wirtschaftlich zu betreiben, seit die Strompreise an der Börse wegen der Zunahme der Erneuerbaren massiv gefallen sind.
Auch in den kommenden Koalitionsverhandlungen in Berlin wird das Thema eine große Rolle spielen. Die Frage ist, wie man mit Kraftwerken umgeht, die sich zwar einerseits betriebswirtschaftlich nicht mehr rechnen, andererseits aber zur Stabilität der Versorgung benötigt werden – also wenn Windmühlen nicht wehen, Solaranlagen mangels Sonne keinen Strom erzeugen.
Manchmal wird diese Reserve nur für wenige Stunden im Jahr benötigt. Wichtig ist sie trotzdem. Denn ein wackeliges Stromnetz kann teuer werden. Derzeit gibt es nur Lösungen für den Einzelfall: Lehnt die Bundesnetzagentur die Stilllegung eines Kraftwerks aus Gründen der Systemsicherheit ab – was sie vor allem bei süddeutschen Kraftwerken wohl tun wird –, gewährt sie auch eine Entschädigung.
Doch dieses Verfahren ist wenig transparent. Daher fordern Experten ein Marktmodell für jene Kraftwerkskapazitäten, die nur noch für Engpässe bereitstehen – eine Feuerwehr bekommt auch Geld, wenn sie gerade nicht im Einsatz ist. „Wir brauchen einen transparenten Kapazitätsmarkt“, sagt Felix Christian Matthes, Energieexperte am Öko-Institut in Berlin.
In einem solchen bieten Marktteilnehmer Reservekraftwerke an. Wer die geforderte Leistung am günstigsten bereitstellt, bekommt den Zuschlag. Das Beratungsunternehmen Capgemini forderte am Donnerstag in einer Studie den Aufbau eines Kapazitätsmarkts sogar auf europäischer Ebene.
Wahrscheinlich wird nocht mehr stillgelegt
Die Zahl von bislang 28 Anträgen auf Stilllegung überrascht Matthes nicht: „Die Gaskraftwerke und alle Kohlekraftwerke der 1970er-Kohorte sind schlicht nicht mehr wirtschaftlich. Die bisher von den Betreibern beantragten Stilllegungen lägen mit 7 Gigawatt sogar noch „an der unteren Grenze dessen, was kommen wird“. Insgesamt dürften 10 bis 20 Gigawatt an Kapazitäten aus dem Markt gehen.
Schließlich sendet der Markt deutliche Signale der Sättigung: Strom, der in den Jahren 2014 bis 2017 geliefert wird, ist im Großhandel aktuell für unter 38 Euro je Megawattstunde zu haben – vor drei Jahren lagen die Preise bei 60 Euro. Beim aktuellen Preisniveau sei ein rentabler Betrieb oft kaum noch möglich, sagt Matthes: „Viele Betreiber verbrennen mit ihren Anlagen derzeit Geld.“
Derzeit versucht mancher Betreiber, seine unrentablen Kraftwerke über die Zeit zu retten – in der Hoffnung, dass die Marktbedingungen sich wieder ändern. Das könnte schnell geschehen: Gehen einige Kohleblöcke vom Netz, könnte sich der Börsenpreis wieder auf einem auskömmlichen Niveau einpendeln.
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