Bestenliste der Clubs: Nur noch hip wie Berghain
Der Club, Symbol für das coole Berlin, rutsch in der Bestenliste ab. Das ist nicht schlimm – außer für die Touristenwerber der Stadt. Sie müssen sich was überlegen.
Rankings – also Bestenlisten – sind was aus dem letzten Jahrzehnt. Da quälten einen Blättchen wie Focus mit den „50 besten Hautärzten“, die Neon begann ihre Existenz mit den „100 wichtigsten jungen Deutschen“, und der Tip verkrampfte sich bei der Suche nach den „100 peinlichsten Berlinern“. Heute erstellen nicht mehr abgehobene Redakteure diese reichlich willkürlichen Hitparaden, sondern zehn bis hunderttausend User im Internet.
Trotzdem ist die Nachricht wichtig, dass das Berghain laut dem britischen Fachblatt DJ Mag nur noch der 16.-beste Club der Welt ist. Weniger für den in einem alten Kraftwerk beheimateten Friedrichshainer Club selbst, der in den vergangenen Jahren sein Geld mehr und mehr mit Konzerten aller Art verdient – vom jungen Elektrofrickler bis zu Symphonieorchester ersten Ranges. Sondern für die Tourismuswerber dieser Stadt. Sie sollten sich nun wirklich Sorgen um deren Image machen.
2009, zum Höhepunkt der Cool-Berlin-Phase, hatte das Berghain den 1. Platz in der Liste des selbigen Magazins belegt. Ob das berechtigt war, sei wie gesagt dahingestellt. Aber es wurde als Zeichen aufgefasst: Hipster aller Welt, Berlin ist derzeit the place to be. Und der Club mit seiner Super-Sound-Anlage so eine Art Zentrum. Es gab Jutetaschen mit dem Aufdruck “Home is, where Berghain is„, und auf den Straßen des noch billigen „Kreuzkölln“ tummelten sich Tausende Männer mit Vollbart, die vor allem Englisch und Spanisch sprachen.
Inzwischen sieht es anders aus. Zwar kann man sich in Berlin immer noch wie am Nabel der popkulturellen Welt fühlen; aber die Debatte, wie Subkultur angesichts steigender Mieten und verschwindender Freiräume überleben soll, hat eine bedrohliche Präsenz erreicht. Zwar besitzt Berlin weiterhin eine enorm vielschichtige Clublandschaft; aber es ist doch irgendwie auch erschreckend, dass kein neuer Club dem Berghain in Sachen Ausstrahlungskraft nachfolgen konnte. Die große Erzählung der Berliner Subkultur der Nachwendezeit, dass jeder Club, der an Bedeutung verliert, durch fünf noch bessere ersetzt wird – sie ist beendet. Bleibt nur zu hoffen, dass nicht auch noch die Kinder heutiger Hipster an der strengen Tür des Berghain um Einlass betteln müssen.
Bester Club laut dem DJ Mag ist übrigens ein Laden auf Ibiza.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Hoffnung und Klimakrise
Was wir meinen, wenn wir Hoffnung sagen
+++ Nachrichten im Ukraine-Krieg +++
Slowakischer Regierungschef bei Putin im Kreml
Rechte Gewalt in Görlitz
Mutmaßliche Neonazis greifen linke Aktivist*innen an
Spiegel-Kolumnist über Zukunft
„Langfristig ist doch alles super“
Lohneinbußen für Volkswagen-Manager
Der Witz des VW-Vorstands
Krieg in der Ukraine
„Weihnachtsgrüße“ aus Moskau