Bestechlichkeit im Gesundheitswesen: Haft für korrupte Ärzte
Der Bundesgesundheitsminister will ärztliches Fehlverhalten gesetzlich bekämpfen. Auch Pharmaunternehmen sind Ziel des Vorstoßes.
BERLIN taz | Nach monatelangen Debatten über ärztliches Fehlverhalten und Bestechlichkeit im Gesundheitswesen wird der Bundesgesundheitsminister Daniel Bahr (FDP) nun aktiv: Noch in dieser Wahlperiode, versprach Bahr am Mittwoch in Berlin, wolle er Korruption bei Ärzten unter Strafe stellen. Die Bestechung und Bestechlichkeit von niedergelassenen Kassenärzten soll künftig mit einer Geldstrafe oder bis zu drei Jahren Haft geahndet werden. „Es geht auch darum, das Vertrauensverhältnis zwischen Arzt und Patient so zu schützen“, sagte Bahr.
Verankert werden soll die neue Strafvorschrift im Sozialgesetzbuch V. Sie werde sich weitgehend an den Bestechungsdelikten des Strafgesetzbuchs orientieren, so Bahr. Vorteilsannahme und Vorteilsgewährung sollten gleichermaßen verboten werden, und zwar für alle Berufsgruppen, die an der Versorgung der Versicherten beteiligt sind. Es handele sich bislang einzig um ein Konzept des Ministeriums. Der gesundheitspolitische Sprecher der Union, Jens Spahn, signalisierte Unterstützung. „Korruption im Gesundheitswesen ist kein Kavaliersdelikt. Wir wollen und werden daher mit dem Minister schärfere Strafregelungen noch vor der Wahl angehen“, sagte Spahn.
Der Vorstand des Spitzenverbands der gesetzlichen Krankenkassen, Gernot Kiefer, begrüßte Bahrs Vorstoß ebenfalls. „Die Sonderstellung von niedergelassenen Ärzten, dass sie, im Gegensatz zu angestellten Ärzten, für korruptives Verhalten nicht belangt werden können, soll endlich beendet werden“, sagte er.
Auch Pharmaunternehmen könnten nun belangt werden, wenn sie Ärzten Geld zahlten oder Computer als Dankeschön dafür schenkten, dass ein Arzt spezielle Medikamente verordnet hat, lobte Kiefer. Der Ärzte-Präsident Frank Ulrich Montgomery kritisierte, dass die Kassen selbst von der Regelung ausgenommen seien: „Ihr Fehlverhalten“ müsse „dringend auf den Prüfstand“, etwa bei „fragwürdigen Rabattverträgen“.
"Etikettenschwindel"
Aufgrund einer Strafbarkeitslücke war es bisher unmöglich, niedergelassene Ärzte wegen Bestechlichkeit zu belangen. Das hatte der Bundesgerichtshof 2010 festgestellt. „Wir“, sagte Bahr, „schaffen eine Norm, damit Staatsanwälte ermitteln.“
Der SPD-Gesundheitsexperte Karl Lauterbach sprach von „Etikettenschwindel“. Das Ziel, „dass die Patienten geschützt werden vor Korruption“, lasse sich nur durch eine Regelung im Strafgesetzbuch erreichen. Bei einer Änderung einzig im Sozialgesetzbuch dagegen müsste als Voraussetzung für eine Strafverfolgung zunächst einer Krankenkasse Schaden entstanden sein. Dieser Schaden sei oft aber gar nicht feststellbar.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Grüne über das Gezerre um Paragraf 218
„Absolut unüblich und respektlos“
Bundestag bewilligt Rüstungsprojekte
Fürs Militär ist Kohle da
Krieg in Gaza
Kein einziger Tropfen sauberes Wasser
Stockender Absatz von E-Autos
Woran liegt es?
Elon Musk torpediert Haushaltseinigung
Schützt die Demokratien vor den Superreichen!
Kürzungen im Berliner Haushalt
Kultur vor dem Aus