piwik no script img

Besetzte SchuleRückkehr nach Kreuzberg

Die Roma-Familien aus der Gerhart-Hauptmann-Schule wurden in ein Heim am Stadtrand gekarrt. Jetzt kommen sie nach und nach wieder zurück.

Hier lebten sie - bis die Polizei anrückte. Bild: dpa

Maria ist ihre Erleichterung anzusehen. Sie ist so gelöst, dass sie beim Gedanken an ihre neue Unterkunft in Kreuzberg die Hände vor dem Gesicht zusammenschlägt. Ja, jetzt sei sie glücklich, sagt die 45-jährige Romni aus Rumänien am Freitag in einem Berliner Café. Jetzt, da sie endlich wieder ein eigenes Zimmer mit ihrem Mann teilen könne und ihre Freunde um sich habe. Jetzt, da sie endlich nicht mehr draußen im Heim lebe, in Hohengatow, weit weg vom Zentrum.

Im Zuge der Teilräumung der Kreuzberger Gerhart-Hauptmann-Schule am 24. Juni hatte das Bezirksamt alle zu diesem Zeitpunkt in der Schule lebenden Roma dorthin gebracht. 38 waren es laut Behördenangaben. In Hohengatow befindet sich eine von der Arbeiterwohlfahrt betriebene Unterkunft, in der Asylsuchende aus unterschiedlichen Ländern wohnen, etwa aus Bosnien oder Syrien.

So zufrieden Maria jetzt ist – die Tage nach der Teilräumung beschreibt sie als hart. Zu keinem Zeitpunkt hätten die Roma-Familien aus der Schule gewusst, was mit ihnen geschehen würde. Schon während der Busfahrt seien sie nicht informiert worden, wohin die Reise gehe.

Zweistündiger Schulweg

In Hohengatow angekommen weigerte sich Maria zunächst, den Bus zu verlassen. „Ich wollte wissen, wo wir sind und wie lange wir hier bleiben müssen“, erklärt sie. Die Zuständigen, so Maria, hätten ihr versichert: ein, zwei Nächte. Die Tage gingen ins Land. Marias 14-jährige Tochter musste zur Schule. Mit den öffentlichen Verkehrsmitteln war sie dafür bis zu zwei Stunden unterwegs. Für die Kosten musste Maria selbst aufkommen, Geld vom Staat habe sie nicht bekommen, sagt sie. Unterstützer der Roma kauften Fahrkarten und begleiteten die Schulkinder.

Sie verfassten gemeinsam mit den Roma auch eine Pressemitteilung, die sich wie ein Hilferuf liest. Darin beklagen sie sich über ihre Lage in Hohengatow: Dort sei es „wie im Gefängnis“. Maria und die anderen Betroffenen fühlten sich fernab der Stadt isoliert. Am schlimmsten für sie war, dass sie auch knapp zwei Wochen nach dem Verlassen der Schule nicht wussten, was auf sie zukommt.

Auf einmal ging es dann ganz schnell: Am Dienstag wurden einige Roma zurück nach Kreuzberg gebracht. Maria und ihre Familie leben jetzt in einem Heim in der Nähe des Moritzplatzes. Am Freitag waren dort laut Bezirksamt bereits 16 der 38 Roma aus Hohengatow.

Bald sollen alle Roma aus der Schule wieder im Zentrum wohnen. Das jedenfalls verspricht Knut Mildner-Spindler (Linke), Stadtrat für Soziales in Friedrichshain-Kreuzberg. Bei der Leerung der Schule hätten schlichtweg die Kapazitäten in nahe gelegenen Unterkünften gefehlt. „Unser Plan war es von Beginn an, sie zentral anzusiedeln, wo die Betreuungsdichte hoch ist“, versichert er.

Allerdings ist auch die Unterbringung am Moritzplatz keine Dauerlösung. Dort leben die Familien, bis geklärt ist, ob sie arbeiten dürfen oder Unterstützung bekommen. Danach sollen sie in Wohnungen von landeseigenen Unternehmen umziehen.

Maria ist zufrieden am Moritzplatz. Wie lange sie dort bleiben darf, ist erneut ungewiss.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

5 Kommentare

 / 
  • Hmm... Ob das die Leute, die sich die Wohnung im Zentrum nicht mehr leisten können und finanziell gezwungen sind an den Stadtrand zu ziehen, auch schön finden?

     

    Ich glaube eher nicht. Die fragt übrigens auch keiner, wie Ihre Kinder zu Schule kommen.

     

    Und wie sie die Differenz zwischen den 22,78 Euro (Verkehrsanteil im Hartz 4 Regelsatz) und den 36,- Euro für das "Sozialticket" aufbringen fragt auch niemand.

     

    Nur so ein Gedanke von mir.

     

    Freundliche Grüße

    • @Paul Brusewitz:

      Übrigens, die Schuld für soziale Diskriminierung, Armut und aufs Überleben fokussierte Existenz gaben immer NSDAP, NPD und reiche Kapitalisten den Ausländern, Flüchtlingen und Bürgern mit Migrationhintergrund.

       

      Wissen Sie warum?

       

      Weil nach Art. 20 GG (dort insb. Sozialstaatprinzip) müssten die schwer reichen Bevölkerungsgruppen Ihr Geld teilen, zum Wolle des Volkes, z.B. durch Millionärsteuer. Deswegen findet man Vorwände oder glaubhaft klingende Lügen mit Schuldzuweisung. So bleibt jeder bei seinem Geld.

    • @Paul Brusewitz:

      Natürlich finden die das auch schön!

      Alleine schon zu denken, es könne dies jemand nicht schön finden, zeigt uns, wie rassistisch die Mehrheitsgesellschaft noch immer ist-

      der Schoß ist fruchtbar noch!

  • Wie schön.

  • Es ist ja auch eine Zumutung so weit draußen leben zu müssen.