■ Beschneidung als Asylgrund: „Eingriff in Integrität“
Das Verwaltungsgericht Magdeburg war das erste deutsche Gericht, das Genitalverstümmelung als Asylgrund anerkannte. Am 20. Juni 1996 verpflichtete seine erste Kammer das Bundesamt für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge, eine Frau aus der Elfenbeinküste als Asylberechtigte anzuerkennen. Der Gerichtsbescheid ist rechtskräftig. (Aktenzeichen 1 A 185/95)
Die Frau hatte ihren Asylantrag im Februar 1995 damit begründet, sie sei zum Oberhaupt des Volksstammes der Apolo bestimmt worden und hätte sich deshalb der Beschneidung unterwerfen müssen. Sie habe bereits zwei Kinder und befürchte, keine weiteren Kinder mehr bekommen zu können. Zudem habe sie schon erlebt, daß Menschen nach einer solchen Zeremonie verstorben seien. Ihre Mutter habe ihr geraten, das Land zu verlassen. Das Bundesamt in Zirndorf lehnte ihren Asylantrag ab. Sie reichte dagegen Klage ein.
Das Magdeburger Gericht folgte ihrer Darstellung. Begründung: Eine gegen den Willen der Betroffenen durchgeführte Beschneidung stelle „ihrer Intensität nach einen asylrechtlich erheblichen Eingriff“ in die „physische und psychische Integrität“ dar. Eine von Zwangsbeschneidung betroffene Frau werde „unter Mißachtung“ ihres „religiösen und personalen Selbstbestimmungsrechts zum bloßen Objekt erniedrigt“.
Der Staat Elfenbeinküste schütze seine Bürgerinnen nicht vor solchen Eingriffen, begründete das Gericht seinen Entscheid weiter. Außerdem gebe es keine inländischen Fluchtalternativen für die betreffende Frau, weil Mitglieder ihres Stammes auch in größeren Städten lebten. -ara/usche
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