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Berufsverbot gegen Juden?

Innensenator würde Juden mit der Kippa nicht erlauben, „vor eine Klasse zu treten“. Bildungsressort hält das Thema nicht für aktuell – gibt es Juden in der Schule? Der Streit weckt Erinnerungen an 1903

Bei seiner Kampagne gegen islamische religiöse Symbole ist der Bremer Innensenator Kuno Böse in einem Interview im Weser Report so weit gegangen, auch das Tragen der jüdischen Kippa für unvereinbar mit der „Neutralitätspflicht“ von Lehrern in staatlichen Schulen zu erklären. Auf die Frage: „Darf ein Mitglied der Jüdischen Gemeinde nicht mit Kopfbedeckung vor eine Schulklasse treten?“, antwortete Böse: „Richtig. Das Neutralitätsgebot gilt auch in diesem Fall.“

Ist dies auch die Haltung des zuständigen Bildungssenators? „Für uns ist das kein Thema“, sagt Behördensprecher Rainer Gausepohl. Seit der Nazizeit ist die jüdische Community in Bremen sehr klein. Ob es Juden im Schuldienst gibt, weiß die Behörde nicht, da die Religionszugehörigkeit bei der Einstellung nicht aktenkundig gemacht wird.

Nach der strengen jüdischen Tradition darf ein jüdischer Mann nicht „den Gottesnamen barhäuptig aussprechen“, ansonsten ist ihm freigestellt, ob erdie Kippa im „zivilen“ Leben als Zeichen seines Glaubens tragen will oder nicht. Günter Schmitt, der Vorsitzende der jüdischen Gemeinde Bremerhavens, hatte sich in der taz (7.12.) ganz offen dazu bekannt, dass er vor seinen Marineschülern natürlich nicht die Kopfbedeckung abnimmt. Er steht dazu: „Die müsste man mir mit Gewalt vom Kopf reißen! Man müsste mich rausschmeißen.“ Schmitt weiter: „Man hat doch alles dafür getan, dass Juden wieder in Deutschland leben und es hat sich positiv entwickelt. Wenn man jetzt die Kippa verbietet… Was würde man mit dem Landesrabbiner machen? Der hat eine Professur in Bremen.“

Das Tragen des Kopftuches für Frauen war im Mittelalter auch in den christlichen Regionen selbstverständlich. Wie heute noch bei frommen Muslima galt die Haartracht als „Werbemittel“, und das Lockmittel unverheirateter Frauen sollte eben „unter die Haube“.

Wilhelm Tacke, der Sprecher der Katholischen Kirche in Bremen, würde eine Regelung gegen die Kippa als „erneute Diskriminierung der Juden“ interpretieren und ablehnen. Der streitbare Einsatz der Bremer Staatsvertreter gegen die religiöse Kopfbedeckung erinnert ihn an einen Vorgang, der sich im vordemokratischen Bremen abgespielt hat: Nonnen mussten im Jahre 1903 die katholische Schule St. Johannis verlassen, weil der Bremer Senat den bescheidenen Zuschuss für die Schule nur unter der Bedingung zahlen wollte, dass auch „die Lehrerinnen wie die übrigen Lehrpersonen in der Schule in weltlicher Tracht erscheinen“. Erst in der Weimarer Republik wurde diese Regelung für die katholische Schule im protestantischen Bremen wieder aufgehoben. K.W.

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