Berühmt durch Youtube: Im Imperium der Lochis
Heiko und Roman Lochmann sind 15 und Teenie-Stars dank Youtube. Auch Offline werden die Klickwunder von Fans überrollt.
Roman Lochmann hat sich ein Big-Mac-Menü bestellt, große Pommes, große Sprite, dazu ein Eis mit Schokosoße, und genau das isst er als Erstes. Sein Bruder Heiko will nichts essen bei McDonald’s, er versucht sich von Fastfood fernzuhalten, sagt er. Ungesund.
Eigentlich gehen die Brüder Roman und Heiko Lochmann, beide 15 Jahre alt, nicht gern in den McDonald’s am Frankfurter Hauptbahnhof. Obwohl sie täglich daran vorbeilaufen. Von hier aus fahren sie zur Schule, ins Praktikum, nach Köln zu ihren Vermarktern oder nach Hause zu ihren Eltern, die auch ihre Manager sind. Denn genau dort versammelt sich die Zielgruppe der //www.youtube.com/user/DieLochis:Youtube-Stars: Teenager und Kids, die ihre meiste Zeit im Internet verbringen, die permanent in ihre Telefone starren. Unter denen werden die Zwillinge ständig erkannt. Doch sie haben sich bereit erklärt, für ein Gespräch hierherzukommen.
„Warte, ich muss kurz noch was posten“, sagt Heiko. Er zieht sein Telefon aus der Tasche. Einen Aufruf an die Fans: Die Lochis brauchen Statisten für einen Dreh. „Nein, noch nicht“, sagt Roman, „das ist noch zu früh. Dann kommen zu viel Leute.“ So geht es einige Minuten hin und her bis Heiko nachgibt und das Telefon unter dem McDonald’s-Tisch verschwinden lässt.
Hinter dem Fenster mit dem großen M ziehen Reisende ihre Koffer durch die hohen Hallen, Hunderttausende rennen täglich durch den Bahnhof. Im Restaurant werden die Brüder nun von den ersten Fans überrollt. Noch bevor sie die Taschen ablegen, kommt der Erste auf sie zu und gibt ihnen die Hand. Wenig später der nächste: „Hey Lochis, ihr seid die Geilsten.“
Buchpaläste verschwinden aus der Innenstadt. Autorinnen haben künftig sieben Jobs gleichzeitig. Ein Kunde ist noch lange kein Kritiker. Und kleine Buchläden sind wie Eisbärenbabys. Was vier junge Schriftstellerinnen über Amazon denken, lesen Sie in der taz.am wochenende vom 20./21. Dezember 2014. Außerdem: Vögeln ist schön. Die Autorin des gleichnamigen Buches spricht mit Jan Feddersen über Verklemmtheit und das uneingelöste Versprechen der freien Liebe. Und: 2004 entvölkerte der Tsunami beinahe die indonesische Provinz Aceh. Wie findet man nach so einer Katastrophe wieder ins Leben? Am Kiosk, eKiosk oder gleich im praktischen Wochenendabo.
Höflich durch den Trubel
Die Lochis bleiben höflich, sagen artig „Danke schön“. Sie sind Profis, sie wissen genau, wie wichtig es ist, sich mit ihren Fans gutzustellen. Niemals sonst war das wohl so entscheidend. Denn die Lochis machen nicht einfach Fernsehen, sie sind YouTuber. Sie drehen Musikvideos zu Songs, gecoverte und selbst geschriebene, sie singen und rappen darin, drehen Sketches, veranstalten Straßenumfragen über Geld, Frauen oder Musik und stellen alles bei YouTube auf ihren eigenen Kanal. Über eine Million Leute haben diesen Kanal abonniert.
Bei YouTube sind die Zuschauer eine Community. Sie kommentieren die Videos der Lochis, sagen direkt, ob sie etwas gut finden oder nicht, wünschen sich auch mal was oder stellen Fragen, die Lochis antworten. Sie erreichen eine Generation von Zuschauern, an denen die Angebote des Fernsehens vorbeizielen. Es gibt sogar Leute, die würden sagen, sie machen das Fernsehen der Zukunft. Die Lochis sind die neuen Superstars.
Während Roman an der Kasse wartet, bitten mehrere junge Mädchen um ein Foto. Unter den irritierten Blicken der anwesenden Erwachsenen kommt er ihnen bereitwillig entgegen. Ein Autogramm will keine haben, nur Fotos. Ein Knopfdruck, dann hat jede einen Lochi auf der Speicherkarte ihres Telefons. Zum Teilen auf Facebook.
Kommentare statt Quote
„Man gewöhnt sich daran“, sagt Roman. Er ist der Ältere, um eine Minute. „Da musst du professionell rangehen.“ Dass sie sich so gut um ihre Fans kümmern sei der Grund, warum sie so erfolgreich sind, sagt Roman. Sie finden das cool, dass sie bei YouTube auf die Meinung der Zuschauer eingehen können. Wenn die Lochis wissen möchten, wie ihre Sachen bei den Zuschauern ankommen, brauchen sie keine Quote: Sie gucken einfach in die Kommentare.
Heiko hat inzwischen sein Ernährungsprogramm in den Wind geschossen und schaufelt die Pommes seines Bruders in sich hinein. „Für mich ist das der Unterschied“, sagt er. „Nicht der Fernsehredakteur macht das Programm, sondern das Publikum“. Das heißt, YouTuber würden das Programm machen, ergänzt Roman, aber mit Einfluss des Publikums.
Im Netz sind die Lochis für ihre Fans immer erreichbar. Doch privat hätten sie doch lieber ein bisschen mehr Ruhe. „Unsere Nummern gehen bei Fans rum. Bei Hunderttausenden“, sagt Roman.
Teilweise konnten die beiden ihre Telefone nicht benutzen, weil sie so viele Anrufe bekamen. Heiko hatte so viele Nachrichten bei WhatsApp, dass die Firma dachte, es handle sich um einen gefälschten Account und ihn sperrte. Beide kennen sich inzwischen gut mit den Sperr- und Blockiermethoden ihrer Smartphones aus.
Klickwunder statt Klinken putzen
„Und dann gibt es auch noch welche“, sagt Roman, „die stehen plötzlich bei uns vor dem Haus. Die sehen uns nicht mehr als normale Menschen, die eine Privatsphäre haben.“ Man dürfe es den Leuten aber nicht übel nehmen, schiebt Roman hinterher. Und natürlich auch: „Wir lieben unsere Fans.“
Als erfolgreiche YouTuber verdienen die Lochis viel Geld. Sie platzieren Produkte in ihren Videos, von Coca-Cola oder Media Markt, Firmen schalten Werbung vor die Clips, je mehr Klicks, desto teurer der Werbeplatz. Im Grunde leben die Lochis den Traum von vielen Teenagern: Berühmt werden in kürzester Zeit, ohne lange Ausbildung, ohne Klinken putzen und damit genug Geld verdienen.
Dennoch leben Roman und Heiko immer noch mit ihren Eltern in einem Kaff, wie sie sagen, in der Nähe von Frankfurt. Wo genau das ist, soll lieber nicht in der Zeitung stehen.
Kreativ durch das Kaff
Eigentlich ist das kein Ort, an dem junge Männer wohnen wollen. Doch das Dörfliche, wie Roman und Heiko es nennen, habe viel damit zu tun, dass sie zu Stars geworden sind. Gerade im Dorf hätten sie Freiheit und kreativen Input gehabt. Man könnte wohl sagen: Kinder aus der Stadt gucken YouTube, Kinder aus dem Kaff machen es.
Sie seien eine Generation, sagen sie, die mit dem Internet aufgewachsen ist. Sie konnten sich dem nicht entziehen. Begonnen hat alles mit dieser Kreativität und Langeweile – und mit dem richtigen Equipment. „Es waren Sommerferien und wir hatten eine Digitalkamera.“ Damals waren Roman und Heiko elf oder zwölf Jahre alt und guckten selbst viel YouTube. Sie sahen damals andere YouTuber wie das Comedytrio namens Y-Titty und dachten sich: „Das wollen wir auch machen.“
Jetzt, nur wenige Jahre später, planen die Lochis eine deutschlandweite Tour. Gleichzeitig gehen sie zur Schule und machen ein Praktikum bei einem großen Medienunternehmen. Auch dessen Name soll nicht in der Zeitung stehen. Nur so viel: Sie machen Fernsehen.
Ausgerechnet das Medium also, an dessen Abschaffung sie auf YouTube arbeiten. Bei dem Medium, das sie selbst überhaupt nicht mehr nutzen. Roman und Heiko schauen nicht fern, sagen sie. Höchstens Circus HalliGalli. Aber sonst nichts. Doch: „Das Fernsehen ist ja nicht umsonst Massenmedium geworden“, sagt Roman, „da kann man schon noch was lernen.“
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Nach dem Anschlag in Magdeburg
Rechtsextreme instrumentalisieren Gedenken
Anschlag in Magdeburg
„Eine Schockstarre, die bis jetzt anhält“
Bundestagswahl am 23. Februar
An der Wählerschaft vorbei
Erderwärmung und Donald Trump
Kipppunkt für unseren Klimaschutz
EU-Gipfel zur Ukraine-Frage
Am Horizont droht Trump – und die EU ist leider planlos
Streit um Russland in der AfD
Chrupalla hat Ärger wegen Anti-Nato-Aussagen