Bernie Sanders in New York: Gegen das System Trump
Alexandria Ocasio-Cortez, Shootingstar der US-Linken, unterstützt Bernie Sanders im Rennen um die Präsidentschaft. Und das mit Druck.
Und rund 25.000 Menschen bejubeln ihn bereits als künftigen Präsidenten der USA. Es ist eine Menge, die KandidatInnenherzen höher schlagen lässt: sozial, ethnisch und kulturell gemischt, jung (mit einem Altersdurchschnitt von vielleicht 35 Jahren), gut gelaunt und politisch hoch motiviert. Immer wieder gehen Fäuste zu dem Ruf hoch: „Wir werden gewinnen“.
Für Sanders, der den US-amerikanischen Kapitalismus verändern will, ist der Queensbridge Park eine ideale Kulisse. Der Park liegt eingezwängt zwischen einem Gas-Kraftwerk, das seine Abgase in den dicht bewohnten Stadtteil bläst, und den seit Jahren renovierungsbedürftigen Backsteinbauten der größten Sozialbausiedlung des Landes. Über den Park führt die Queensboro Brücke direkt zu den glitzernden Hochhaustürmen von Manhattan hinüber.
Dorthin, wo sich sich die Sitze der großen Konzerne befinden, dorthin, wo die „1 Prozent“ und die „Milliardäre“ wohnen, die Sanders für das Elend der anderen verantwortlich macht. Die das Gegenstück bilden zu den „0,5 Millionen, die heute Nacht unter freiem Himmel schlafen werden“, die „87 Millionen, die entweder keine, oder nur eine unzureichende Krankenversicherung haben“, wie Sanders sagt.
Sanders warnt seine Anhänger, dass die andere Seite ihre Macht nicht ohne Kampf aufgeben wird. Mit einer langen Reihe von Fragen lässt er sich von der Menge versichern, dass diese bereit ist, ihm zu folgen – auch dann, wenn es darum geht, Rechte für andere zu erkämpfen, die sie selbst bereits haben: Krankenversicherungen, Aufenthaltspapiere, Streichungen von Studiengebühren und Studienschulden, Löhne, von denen man leben kann, und ein Ende des Rassismus.
Sanders bekommt die meisten Spenden
Die Spitze der Demokratischen Partei und die großen Privatsender der USA stellen Sanders als einen Mann dar, der keine Chance hat, die Präsidentschaftswahlen zu gewinnen. „Zur radikal für das Land“ und „zu alt“, sagen sie über den 78-Jährigen. Als der am 1. Oktober einen Herzinfarkt hatte, bekam das Altersargument scheinbar zusätzliches Gewicht. Aber für die jungen Bernie-Fans ist Alter kein Argument. „Vorgeschoben“, sagt ein 30-jähriger Krankenpfleger mit einem St. Pauli-T-Shirt, „es geht um politische Ideologie und darum, wessen Geschäfte sie erledigen. Niemand spricht über den Schlaganfall von Joe Biden, oder über Nancy Pelosi, die älter ist als Bernie“.
Der einzige männliche Vorredner von Sanders an diesem Samstag, der Dokumentarfilmemacher Michael Moore, sieht in Sanders Alter sogar Vorteile. Er spricht von „Weisheit“ und „Lebenserfahrung“ und davon, dass Sanders zur Generation derer gehört, die Lohnerhöhungen und Renten erlebt haben. Zu Sanders Radikalität, die die US-AmerikanerInnen angeblich verschreckt, sagt Moore, dass Sanders 2016 in Bundesstaaten wie West Virginia und Wisconsin stärker war als Hillary Clinton. Er impliziert, dass Sanders dort gegen Donald Trump hätte siegen können. In diesem neuen Wahlkampf hat Sanders eine Million aktive UnterstützerInnen und, obwohl er kein Geld von Konzernen annimmt, mehr Spenden, als jedeR anderE demokratische KandidatIn.
„Für mich ist er Tio Bernie“, sagt die demokratische Sozialistin Ocasio-Cortez. Bevor sie an diesem Samstag als letzte Vorrednerin von Sanders ans Mikrofon tritt, haben andere Frauen gesprochen. Darunter die afro-amerikanische Demokratin Nina Turner aus Ohio, die „queer Latina“ Tiffany Caban aus New York und die Bürgermeisterin von San Juan, Puerto Rico, Carmen Yulín Cruz, die es nach dem Hurrikan „Maria“ gewagt hat, Trump wegen der verzögerten und knappen Hilfe für ihre Insel zu kritisieren. Ocasio-Cortez aber ist ganz klar der Star. Queens gehört zu ihrem Wahlkreis. Sie war mitbeteiligt daran, die Niederlassung von Amazon in Queens zu Fall zu bringen. Und ihr kometenhafter Aufstieg zu einer der bekanntesten PolitikerInnen des Landes hat viele inspiriert.
Durch Sanders, sagt Ocasio-Cortez, habe sie verstanden, dass es sich lohnt, für Krankenversicherung, erschwingliche Mieten und Löhne zu kämpfen. Er sei jemand, der „die Arbeiterklasse trotz allen Drucks und aller Tricks nicht im Stich lässt“. Mit 30 Jahren ist Ocasio-Cortez noch fünf Jahre zu jung für eine eigene Präsidentschaftskandidatur. Aber wie andere DemokratInnen hätte sie bis nach den Primaries warten können, bevor sie ihre Unterstützung vergibt. Im Queensbridge Park erklärt sie, warum sie nicht warten wollte: „Es geht nicht nur darum, Donald Trump zu besiegen“, sagt sie, „sondern wir müssen das System besiegen, dessen Symptom er ist“.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Putins Atomdrohungen
Angst auf allen Seiten
Nahost-Konflikt
Alternative Narrative
James Bridle bekommt Preis aberkannt
Boykottieren und boykottiert werden
Umweltfolgen des Kriegs in Gaza
Eine Toilettenspülung Wasser pro Tag und Person
Krise der Linke
Drei Silberlocken für ein Halleluja
Stromversorgung im Krieg
Ukraine will Atomkraft um das Dreifache ausbauen