piwik no script img

Bernhard Clasen über die geplante Pipeline Nord Stream 2Never change a running system

In einem sind sich Bundeskanzlerin Angela Merkel und der russische Präsident Wladimir Putin einig: die Ostsee-Pipeline Nord Stream 2 soll gebaut werden. Das haben beide auf ihrem Treffen in Sotschi am vergangenen Wochenende bestätigt. Doch brauchen wir wirklich eine neue Pipeline? Gab es da nicht mal Überlegungen, fossile Energien zurückzufahren und den Ausbau erneuerbarer Energien voranzutreiben?

Wir bekommen schließlich unser Gas, jedes Jahr. Auch wenn es mal Streit um das Geld gibt. Russisches Gas fließt durch die Ukraine, die Slowakei, Tschechien, Polen. Und alle verdienen daran. Das funktioniert also. Never change a running system.

Warum brauchen Deutschland und Russland also eine neue Gaspipeline durch die Ostsee, wenn man bereits funktionierende Leitungen hat? Ganz einfach: Beide wollen den Profit nicht mit anderen europäischen Ländern teilen. Und bei diesem Profitstreben fallen andere Werte unter den Tisch.

Neue Pipelines sind immer eine zusätzliche Gefährdung des Ökosystems. Nord Stream 2 wird durch Gebiete führen, in denen hochgiftige Waffenbestände aus dem Zweiten Weltkrieg vermutet werden. Sie zerstört Vogelschutzgebiete und Meeresnaturschutzgebiete und gefährdet unsere Freundschaft mit europäischen Transitländern.

Dabei können Pipelines durchaus einen Frieden stiftenden Aspekt haben. Eine Leitung durch verfeindete Länder zwingt diese, sich im Interesse einer funktionierenden Pipeline immer wieder neu zu einigen. Das zeigt sich am Beispiel der bisher durch die Ukraine führenden Gaspipeline: Solange Russland diese Leitung durch das Nachbarland braucht, ist Moskau an politischer Stabilität zumindest im Gebiet der Pipeline interessiert. Und gleichzeitig ist die Ukraine gezwungen, sich regelmäßig mit Russland an einen Tisch zu setzen.

Deswegen sollte noch einmal über den Vorschlag des ukrainischen Präsidenten Poroschenko nachgedacht werden, ob es nicht besser sei, lieber die schon jetzt bestehenden Pipelines auszubauen – als eine neue namens Nord Stream 2 zu verlegen.

Eine Koalition, die was bewegt: taz.de und ihre Leser:innen

Unsere Community ermöglicht den freien Zugang für alle. Dies unterscheidet uns von anderen Nachrichtenseiten. Wir begreifen Journalismus nicht nur als Produkt, sondern auch als öffentliches Gut. Unsere Artikel sollen möglichst vielen Menschen zugutekommen. Mit unserer Berichterstattung versuchen wir das zu tun, was wir können: guten, engagierten Journalismus. Alle Schwerpunkte, Berichte und Hintergründe stellen wir dabei frei zur Verfügung, ohne Paywall. Gerade jetzt müssen Einordnungen und Informationen allen zugänglich sein. Was uns noch unterscheidet: Unsere Leser:innen. Sie müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 50.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Es wäre ein schönes Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen