Bernhard Clasen über die Ermordung Amina Okuyevas in der Ukraine: Rätselhafte Russland-Spur
Der Mord an Amina Okuyeva, einer Maidan-Aktivistin der ersten Stunde, reiht sich ein in eine Kette zahlreicher anderer Morde mit politischem Hintergrund. Eines haben die Morde an dem Fernsehjournalisten Pawel Scheremet im Juli 2016, dem nach Kiew geflohenen russischen Abgeordneten Denis Woronenkow im März, dem Mordanschlag auf den Abgeordneten Igor Mosijtschuk und den Anschlag auf den tschetschenischen Feldkommandeur Adam Osmayev und Amina Okuyeva gemeinsam: Nur Stunden nach den Anschläge berichten ukrainische Politiker und Behörden bereits von einer russischen Spur.
Diese Schnelligkeit bei der Schuldzuweisung ist umso erstaunlicher, wenn man gleichzeitig sieht, wie planlos und träge ukrainische Ermittlungsbehörden bei der Aufklärung von anderen politischen Morden sind. Auf dem Maidan wurden 104 Demonstranten getötet.
Doch wer die tödlichen Schüsse auf die 17 Polizisten und Sicherheitskräfte abgegeben hat, die ebenfalls 2014 auf dem Maidan getötet wurden, hat bisher keine Ermittlungsbehörde herausgefunden.
Ebenso bleiben die Morde an dem regierungskritischen Journalisten Oles Busyna, dem Politiker Oleh Kalaschnikow und zehn merkwürdige Selbstmorde von Politikern des Janukowitsch-Regimes Anfang 2015 ein Buch mit sieben Siegeln.
Nun sprechen im Fall des Mordanschlags auf Okuyeva und Osmayev die Indizien wirklich für eine russische Spur. Noch im Juni hatte der aus Tschetschenien stammende Artur Kurmakajew einen Mordanschlag auf Osmayev verübt. Kurmakajew hatte schon 2008 den österreichischen Behörden gestanden, als Auftragsmörder im Dienst von Ramsan Kadyrow zu stehen.
Schade, dass die ukrainischen Behörden in Fällen, die in die eigene Tagesordnung passen, schneller ermitteln. Und deswegen nehmen viele Kiews Erklärungen von der russischen Spur nicht ernst. Im Falle von Okuyeva muss man sagen: leider.
Eine Koalition, die was bewegt: taz.de und ihre Leser:innen
Unsere Community ermöglicht den freien Zugang für alle. Dies unterscheidet uns von anderen Nachrichtenseiten. Wir begreifen Journalismus nicht nur als Produkt, sondern auch als öffentliches Gut. Unsere Artikel sollen möglichst vielen Menschen zugutekommen. Mit unserer Berichterstattung versuchen wir das zu tun, was wir können: guten, engagierten Journalismus. Alle Schwerpunkte, Berichte und Hintergründe stellen wir dabei frei zur Verfügung, ohne Paywall. Gerade jetzt müssen Einordnungen und Informationen allen zugänglich sein. Was uns noch unterscheidet: Unsere Leser:innen. Sie müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 50.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Es wäre ein schönes Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen