Bernd Riexinger über Gauck-Nachfolge: „Frau, Migrantin, sozial empathisch“
Der Chef der Linkspartei will gemeinsam mit SPD und Grünen einen Kandidaten oder eine Kandidatin finden. Es gehe um ein Signal für eine weltoffene Politik.
taz: Herr Riexinger, die Linke hat bereits am Wochenende vorgeschlagen, eine gemeinsame Kandidatin zusammen mit SPD und Grünen für die Wahl zum Bundespräsidenten im Februar 2017 zu benennen. Waren Sie nicht zu voreilig?
Bernd Riexinger: Warum? Als es hieß, Herr Gauck wolle nicht mehr antreten, wurden wir gefragt, was wir davon halten. Und wir haben gesagt, für den Fall, dass er nicht mehr antritt, machen wir schon mal den Vorschlag, dass Linke, SPD und Grüne eine gemeinsame KandidatIn benennen. Das finde ich in Ordnung.
Die Antwort von SPD und Grünen ist lautes Schweigen.
Die anderen Parteien müssen sich das natürlich überlegen. Insbesondere die SPD steht vor der Frage, ob sie sich alles offenhalten will, auch eine Große Koalition mit Frau Merkel, oder ob sie ein politisches Zeichen setzen will für einen Kandidaten aus dem linken Lager. Die Grünen sitzen in der gleichen Falle. Sie spekulieren ebenfalls auf eine Koalition mit der CDU, sie begreifen sich ja schon ein bisschen als Reservepartei für eine CDU-geführte Koalition. Deshalb wird es in beiden Parteien sicher Diskussionen geben.
Also geht es der Linken auch darum, SPD und Grüne ein wenig in ihrer Verzagtheit vorzuführen?
Nein, darum geht es gar nicht. Es geht um klare inhaltliche Fragen. Wir sagen, jetzt wäre der Moment gekommen, ein deutliches Zeichen zu setzen, gerade auch in einer Situation großer gesellschaftlicher Polarisierung, in der rechtspopulistische Kräfte Zulauf bekommen. Wenn wir beispielsweise eine Präsidentin hätten, eine Frau, eine Migrantin, die mit klarer sozialer Empathie für Weltoffenheit und gegen Ausländerfeindlichkeit und Rechtspopulismus steht – das wäre doch ein Signal in der aktuellen politischen Landschaft.
60, war Gewerkschaftssekretär und bis zu deren Verschmelzung mit der damaligen PDS Mitglied der WASG. Seit 2012 ist er zusammen mit Katja Kipping einer der beiden Parteivorsitzenden von Die Linke.
Kritik am Vorgehen kommt auch aus der Linken. Die Abgeordnete Halina Wawzyniak hat getwittert, wer eine rot-rot-grüne Kandidatur wolle, der dürfe keine Aufforderungen an andere verkünden, sondern sondiere vertraulich.
Das eine schließt das andere ja nicht aus. Aber Politik ist eben eine öffentliche Angelegenheit, die auch öffentlich erörtert werden sollte. Wir haben in der Führung alle den gleichen Standpunkt.
Gibt es schon Sondierungsgespräche?
Nein. Wir müssen die Klärungsprozesse bei SPD und Grünen abwarten. Beide Parteien wären gut beraten, nicht zu viel Zeit vergehen zu lassen, sonst schießen die Spekulationen in die Höhe.
Tatsächlich gibt es große Skepsis, ob Ihr Vorschlag Realität wird. Wie will die Linke rechte SPDler überzeugen?
Die SPD hat es mit neoliberaler Politik versucht und konnte ihren Erosionsprozess nicht stoppen. Wir brauchen eine Diskussion über ein linkes Lager in Abgrenzung zum bürgerlichen Lager, weil auch die Bevölkerung die Schnauze voll davon hat, dass alle Parteien so ähnlich ticken.
Könnte sich die Linke auch vorstellen, der SPD das Vorschlagsrecht zu überlassen und diese KandidatIn dann mitzutragen?
Der bessere und normalere Weg wäre eine Verständigung aller drei Parteien. Eine KandidatIn aus dem linken Spektrum hätte nur dann Erfolg, wenn man sich abspricht.
Sie haben aber keine Mehrheit in der Bundesversammlung.
Das ist eine knappe Sache, ja. Aber im dritten Wahlgang könnte es mit Unterstützung der Piraten klappen.
Haben Sie schon eine geeignete Kandidatin im Visier?
Zunächst muss man sich einigen, diesen Weg zu gehen. Jede öffentliche Diskussion über eine Person würde zurzeit dazu führen, dass diese Person es garantiert nicht wird.
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