Berlusconi for President: Der Cavaliere ist zurück
Silvio Berlusconi will Italiens neues Staatsoberhaupt werden. Die Chancen sind gering. Doch er hat erreicht, was er wollte: Aufmerksamkeit.
D ie Überraschung ist ihm gelungen, selbst versierte Beobachter:innen italienischer Eskapaden hatten damit nicht gerechnet. Silvio Berlusconi will Italiens neuer Staatspräsident werden. Ausgerechnet er will in das höchste Amt eines Landes, das dringend Stabilität braucht. Echt jetzt? Ein Loblied auf die Ambitionen Berlusconis kommt dieser Tage aus der konservativen Ecke des EU-Parlaments.
EVP-Chef Manfred Weber hält ihn für einen echten Europäer und damit bestens geeignet, die Krise in Italien, ach was in Europa, einzudämmen. Ein gewagtes Statement angesichts eines Mannes, der der erste vorbestrafte Staatspräsident werden könnte. Okay, nur wegen Steuerbetrug. Vorwürfe wegen Bestechung und anderer Verwerfungen kamen erst gar nicht vor Gericht oder wurden so lange hinausgezögert, bis sie verjährt waren.
Auch seine machistischen Annäherungen an Frauen werden allenfalls belächelt. Selbst wenn sie im Fernsehen übertragen wurden. Journalistinnen, die ihn interviewten, mussten des Öfteren mit einer unangenehmen Flirtattacke rechnen. Berlusconi zwinkerte, die Welt rollte mit den Augen. Das bisschen Frivolität wurde ihm verziehen.
Berlusconi hat geschafft, was Mario Draghi, dem eigentlichen Favoriten auf das Amt, nicht annähernd gelingt. Er ist die schillernde, charismatische Figur, der andere eben nur der Finanzmarktkenner, der Aufräumer. Ab Montag können Delegierte und Parlamentarier:innen das neue italienische Staatsoberhaupt wählen. Chancen hat Berlusconi kaum. Klappt es nicht mit dem neuen Job, wird er andere Wege finden, sich einzumischen. Berlusconis politische Tage sind noch lange nicht gezählt.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Nahost-Konflikt
Alternative Narrative
Putins Atomdrohungen
Angst auf allen Seiten
James Bridle bekommt Preis aberkannt
Boykottieren und boykottiert werden
Krise der Linke
Drei Silberlocken für ein Halleluja
Die Wahrheit
Der erste Schnee
+++ Nachrichten im Ukraine-Krieg +++
Biden genehmigt Lieferung von Antipersonenminen