Berlins Wirtschaftssenatorin tritt ab: Ramona Pop zieht es weiter
Nach 20 Jahren in der Landespolitik kündigt die grüne Wirtschaftsenatorin an, dem nächsten Senat nicht mehr angehören zu wollen.
„Ich möchte ein neues Kapitel aufschlagen“, fügte sie hinzu. Pop beschränkte ihren Abschied ausdrücklich auf die Berliner Landespolitik und schloss auf Nachfrage nicht aus, dass es in diesem von ihr so bezeichneten neue Kapitel um Bundespolitik geht. „Ich weiß noch nicht genau, wie das aussieht“, sagte sie.
Pop, die 1977 in Rumänien geboren wurde, kam vor 20 Jahren als damals jüngste Abgeordnete ins Landesparlament. „Ich bin Feministin und rasiere mir trotzdem die Beine“, sagte sie 2002 in ihrem ersten großen Interview mit der taz. 2009 wurde sie Co-Fraktionschefin, und anders als ihr Co-Chef Volker Ratzmann überstand sie auch das Beinahe-Schisma der Fraktion nach der trotz des bislang stärksten Ergebnisses enttäuschenden Abgeordnetenhauswahl 2011: Sie blieb Vorsitzende, nun mit Antje Kapek an ihrer Seite.
2016 führte sie die Grünen als Spitzenkandidatin in den Senat, in dem ihre Partei erstmals eine ganze Wahlperiode blieb. 1990 war die Zusammenarbeit mit der SPD nach weniger als zwei Jahren geplatzt; die grüne Regierungsbeteiligung ab Sommer 2001 stellte eine reine Übergangminderheitsregierung bis zur Bildung der rot-roten Koalition Anfang 2002 dar.
Dass Pop sich von der Landespolitik verabschieden würde, kommt nicht überraschend. Nach zwölf Jahren in den zentralen Führungsfunktionen – Fraktionschefin und Vize-Regierungschefin – müsste sie in der künftigen Regierung einen Schritt zurück treten: Führende Kraft der Grünen im Senat und designierte Vize-Regierungschefin wird – so es zu der erneuten Auflage eine Koalition von SPD, Grünen und Linken kommen – Bettina Jarasch sein.
Jarasch hat ihre Partei als Spitzenkandidatin bei der Wahl am 26. September zu einem neuen Rekordergebnis von 18,9 Prozent geführt. Auch wenn die Grünen weniger hierarchisch strukturiert sind als andere Parteien, so hätte Pop als ehemalige Führungsfigur dort nicht mehr wirklich hinein gepasst. Derzeit laufen die Verhandlungen über die weitere Zusammenarbeit mit Linken und SPD; sie sollen Ende November abgeschlossen sein.
Zwei von drei grünen Senatorinnen ziehen sich zurück
Pop ist nach dem Rückzug von Verkehrssenatorin Regine Günther bereits die zweite grüne Senatorin, die einer Neuauflage von abgekürzt RGR nicht mehr angehören wird. Justizsenator Dirk Behrendt, das dritte grüne Regierungsmitglied, werden dagegen Ambitionen nachgesagt, sein Amt fortzuführen unter einer Regierenden Bürgermeisterin Franziska Giffey (SPD).
Für die Grünen bietet der Rückzug sowohl von Pop wie auch von Günther die große Chance, ein neues Team für den Senat zusammen zu stellen, ohne große Personalkonflikte mit Amtsinhabern austragen zu müssen.
Pops Parteikolleginnen Jarasch und Kapek sowie Co-Fraktionschefin Silke Gebel bedauerten den Abschied der Wirtschaftsenatorin in einer Pressemitteilung: „Ramona Pop hat für die Grüne Fraktion große Verdienste errungen und ihr Rückzug bedeutet für uns, aber auch für Berlin einen echten Verlust.“ Ganz weg ist Pop allerdings noch nicht: Bis zur Vereidigung der neuen Landesregierung, wahrscheinlich im Dezember, bleibt sie wie der gesamte Senat geschäftsführend im Amt.
Kritik von der Basis
Doch Pop hat nicht nur gute Erfahrungen in den vergangenen Jahren mit der Partei gesammelt. In schlechter Erinnerung dürfte ihr noch sein, wie ihr die Grünen zwischenzeitlich den Rückhalt versagten: Als die Wirtschaftssenatorin Ende 2019 eindringlich darum warb, eine Berliner Bewerbung für eine neuartige Internationale Automobil-Ausstellung, bei der Elektromobiltät ein wichtige Rolle spielen sollte, zu unterstützen, ließ ihre Partei sie auflaufen.
In gleicher Weise ist es unwahrscheinlich, dass die Grünen auf Bundesebene nicht die Chance nutzen, Pop mit ihrer langjährigen Führungserfahrung zum Teil der Bundesregierung zu machen, etwa in der Position einer Staatssekretärin. Dazu dürfte auch beitragen, dass Pop in der Corona-Krise umsichtig agierte und intensiv zu schneller Hilfe für Selbstständige beitrug.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Partei stellt Wahlprogramm vor
Linke will Lebenshaltungskosten für viele senken
Syrische Geflüchtete in Deutschland
Asylrecht und Ordnungsrufe
Paragraf 218 im Rechtsausschuss
CDU gegen Selbstbestimmung von Frauen
Doku über deutsche Entertainer-Ikone
Das deutsche Trauma weggelacht
Sednaya Gefängnis in Syrien
Sednaya, Syriens schlimmste Folterstätte
Schwarz-Grün als Option nach der Wahl
Söder, sei still!