Berlins Stadtschloss Opfer des Sparzwangs: Danke, Griechenland!
Die Bundesregierung muss wegen der Krise sparen. Derzeit wird beraten, wo. Als sicher gilt bereits: Der Schlossnachbau kommt später.
BERLIN taz | Die Anzeichen mehren sich, dass das Stadtschloss den Sparzwängen der Bundesregierung zum Opfer fällt. Unter Parlamentariern gilt es als wahrscheinlich, dass Bundesbauminister Peter Ramsauer (CSU) den Beginn des 550 Millionen Euro teuren Prestigeprojekts verschiebt. Mitglieder des Haushaltsausschusses des Bundestages rechnen nach taz-Informationen jetzt nicht mehr damit, dass der Schlossbau in den Haushalt für 2011 eingebracht wird.
Neben der Finanznot seien auch Verzögerungen in der Bauplanung ein Grund für die wahrscheinliche Verschiebung. Das Bundesbauministerium hält offiziell weiter am Baubeginn 2011 fest; es hatte zuvor allerdings die für 2014 geplante Fertigstellung bereits auf 2017 vertragt.
Dem Wunsch der Mehrheit der Berliner dürfte die Verzögerung entgegenkommen. Laut einer aktuellen Forsa-Umfrage sind 80 Prozent der Meinung, dass angesichts klammer Kassen auf den Neubau des Schlosses samt Barockfassade verzichtet werden sollte. Daraufhin forderten die kulturpolitische Sprecherin der Grünen im Abgeordnetenhaus, Franziska Eichstädt-Bohlig, und der Vorsitzende des Stadtentwicklungsausschusses, Thomas Flierl (Linke), ein Moratorium für das unpopuläre Bauvorhaben - zumindest für die laufende Legislaturperiode.
Dass es nun genauso kommen wird, hält auch die kulturpolitische Sprecherin der CDU-Fraktion im Bundestag, Monika Grütters, für wahrscheinlich. Grütters äußerte angesichts der angespannten Finanzsituation Verständnis für ein Moratorium auf dem Schlossplatz. "Ich hoffe nur, dass sich eine Bauverzögerung nicht negativ auf das großartige Projekt Humboldt-Forum auswirken wird", so Grütters zur taz. Im Übrigen habe sie sich als Hülle für ein Humboldt-Forum "jederzeit auch ein Gebäude mit zeitgenössischem Antlitz vorstellen können". Da es aber den Bundestagsbeschluss zum Schloss gebe, müsse man langfristig auch daran festhalten und dürfe nicht alte Formdiskussionen wieder beleben. Im Humboldt-Forum sollen die außereuropäischen Sammlungen der Stiftung Preußischer Kulturbesitz und Teile der Landesbibliothek unterkommen.
Dass ein Baustillstand das umstrittene Projekt ganz kippen könnte, befürchten Befürworter sowohl der Barockform als auch des interkulturellen Inhalts. Das Berliner Kulturausschussmitglied Uwe Lehmann-Brauns (CDU) warnte in einer Stellungnahme die Bundesregierung vor einer Verschiebung des Baus. "Es wäre ein makaberer Vorgang, wenn die bürgerliche Bundesregierung ein Vorhaben, das zwanzig Jahre lang gegen ideologische Widerstände von links erkämpft wurde, beiseitelegte", sagte Lehmann-Brauns. Der Kulturpolitiker kritisierte Äußerungen des Bau- und Verkehrsministers, der kürzlich die Kosten des Schlossbaus mit denen von acht Autobahnkilometern verglichen hatte.
Sollte sich Ramsauers Leidenschaft zwischen Verkehr und Kultur tatsächlich so gleichmäßig verteilen, ist eine Verschiebung des Preußenbaus umso wahrscheinlicher. Eichstädt-Bohlig warnt ihrerseits davor, mit den Baggern auch den Humboldt-Gedanken ruhen zu lassen. "Den Anspruch, in Berlin ein zukunftsbezogenes interkulturelles Zentrum zu schaffen, halte ich für wichtig. Das muss weiterverfolgt werden - auch ohne Schloss."
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Hoffnung und Klimakrise
Was wir meinen, wenn wir Hoffnung sagen
Rechte Gewalt in Görlitz
Mutmaßliche Neonazis greifen linke Aktivist*innen an
Spiegel-Kolumnist über Zukunft
„Langfristig ist doch alles super“
+++ Nachrichten im Ukraine-Krieg +++
Slowakischer Regierungschef bei Putin im Kreml
Lohneinbußen für Volkswagen-Manager
Der Witz des VW-Vorstands
Künstler Mike Spike Froidl über Punk
„Das Ziellose, das ist doch Punk“