piwik no script img

Berlins KultursenatorJoe Chialo tritt zurück

Der einstige Hoffnungsträger der Berliner CDU, Kultursenator Joe Chialo, tritt zurück. Grüne fordern, der Regierende solle das Amt übernehmen.

Vor 2 Jahren war der Musikmanager als CDU-Hoffnungsträger gestartet, jetzt gibt Joe Chialo den Kultursenator-Posten auf Foto: Soeren Stache/dpa

Berlin dpa | Berlins Kultursenator Joe Chialo (CDU) tritt zurück. „Heute habe ich den Regierenden Bürgermeister um die Entlassung aus meinem Amt als Senator für Kultur und Gesellschaftlichen Zusammenhalt gebeten“, teilte er mit. Hintergrund sind demnach die Diskussionen um und die Kritik an den weitreichenden Haushaltskürzungen für den Kulturbereich der Hauptstadt.

Chialo war zuletzt auf Bundesebene als möglicher Nachfolger von Claudia Roth (Grüne) im Amt des Staatsministers für Kultur und Medien gehandelt worden. Doch die CDU hatte am Montag offiziell mitgeteilt, dass Medienunternehmer Wolfram Weimer den Posten übernehmen soll.

Chialo: weitere Kürzungen greifen zu tief ein

„Im vergangenen Jahr habe ich die geforderten Einschnitte im Kulturhaushalt schweren Herzens mitgetragen – im Bewusstsein der gemeinsamen Verantwortung für die Stadt“ betonte Chialo. „Die nun geplanten weiteren Kürzungen greifen jedoch zu tief in bestehende Planungen und Zielsetzungen ein, verändern zentrale fachliche Voraussetzungen und führen so zur drohenden Schließung von bundesweit bekannten Kultureinrichtungen.“

Eine konstruktive Diskussion darüber sei zuletzt erschwert worden, da sich öffentliche Kritik zunehmend auf die eigene Person konzentriert habe. „In dieser Situation sehe ich es als meine Verantwortung, Raum für neue Perspektiven zu schaffen.“

Habe zur guten Entwicklung der Stadt beitragen wollen

Er sei mit dem Anspruch in die Politik gegangen, aktiv zur guten Entwicklung der Stadt beizutragen. „Wenn sich zentrale politische und fachliche Ziele dauerhaft nicht mehr im gegebenen Rahmen umsetzen lassen, ist es aus meiner Sicht konsequent, einen Schritt zur Seite zu machen und das Amt in neue Hände zu legen“, teilte Chialo weiter mit.

Insgesamt muss die Berliner Kultur im Haushalt 2025 rund 130 Millionen Euro einsparen, knapp zwölf Prozent ihres eigentlich angedachten Budgets. Viele Theater müssen mit weniger Geld vom Land auskommen. Von Einsparungen im Gesamtumfang von drei Milliarden Euro sind auch zahlreiche andere Bereiche in der Stadt betroffen.

Die Berliner Grünen forderten in einer ersten Reaktion, der Regierende Bürgermeister Kai Wegner (CDU) solle nun die Kulturpolitik und die Verhandlungen um den nächsten Haushalt übernehmen. „Im Land Berlin bleibt nicht viel Zeit, um den bereits entstandenen Schaden für die Kulturmetropole abzumildern. Dafür trägt jetzt vor allem der Regierende Bürgermeister Verantwortung, zumal er seit Dezember mit seinem ‚Kulturdialog‘ schon einen Teil der Amtsgeschäfte eines Fachsenators übernommen hat“, erklären die Fraktionsvorsitzenden Bettina Jarasch und Werner Graf.

Für die Linken im Abgeordnetenhaus stellte der Fraktionsvorsitzende Tobias Schulze fest, Chialo habe – wie der ganze schwarz-rote Senat – erst zu viele Versprechungen gemacht und dann keinen Widerstand geleistet, als die „ungedeckten Schecks“ geplatzt seien. „Notwendig wäre gewesen, für die Kultur zu kämpfen, für den Landeshaushalt neue Einnahmen zu erschließen und gemeinsam mit den Betroffenen Konzepte für die schwierige Lage zu entwickeln. Nun brennt die Hütte und Joe Chialo verlässt das sinkende Schiff.“

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 50.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

9 Kommentare

 / 
  • Irgendwie habe ich den Verdacht, dass Chialo weniger als Hoffnungsträger und mehr als Bauernopfer gedacht war, die CDU ihn nach vorne schob, um unbeliebte Kürzungen durchzusetzen und ihn nach getaner Arbeit abzusägen.

    Ausserdem, bei aller berechtigter Kritik an ihm, wäre er mir als Staatsminister für Kultur und Medien deutlich sympathischer gewesen, als Weimer, ein Mann, dessen Kommentare auch von Oswald Spengler hätten stammen können.

    • @Claudio M.:

      Man müßte Spengler wenigstens zugute halten, kein Ministeramt nötig gehabt zu haben, damit er zur Kenntnis genommen werde. Auch überzeugt mich die Überlieferung, er sei im Mai 1936 eines natürlichen Todes gestorben, nicht so recht. Ein "Herzversagen" habe es ja auch in Fällen gegeben, bei denen das nicht zur Vita des Verstorbenen paßte.

    • @Claudio M.:

      Wie bei der jetzigen Bundesregierung: die Korrosionsfänger sind schon eingebaut: Weimer, Dings von Mediamarkt, ...



      Chialo sollte den Kulturabbau bemänteln und die Gleiche-Rechte-Lücke der Union gleich mit. Der Chialo mag gehen.

  • Für den Kultursenator eines Failed State (herzliche Grüße aus dem anderen Failed State Deutschlands, Bremen) war Herr Chiallo erstaunlich viel in den Medien. Es begann glaube ich mit irgendwelchen geforderten Klauseln oder Bekenntnissen und Fördermittelentzug für politisch unliebsame Projekte - irgendwo musste er da auch wieder zurückrudern. Dann kam das peinliche Hofnarren-Gate, dann offenbar eine rigide Sparpolitik, dann kam sein Führerscheinverlust wegen wiederholtem Rasens, und dann hat man als Kandidat für den Posten als Bundes-Kulturstaatssekretär abgesägt zugunsten eines Rechtskonservativen. Ich glaube, das war einfach sowohl für ihn persönlich, als auch für die Union zu viel.

    • @Kawabunga:

      Zitat: "...wegen wiederholtem Rasens ..."

      Zu seiner Ehrenrettung wäre zu erwähnen, daß er eben über mehrere Jahre hinweg die nötigen acht Punkte zusammengekratzt habe www.tagesschau.de/...n-abgeben-100.html



      - mit dem, was man heute darunter versteht (und wofür der Führerschein, sofern vorhanden, gleich weg wäre), hat das wohl weniger zu tun gehabt.

    • @Kawabunga:

      Nebenpunkt: Bremen wirkt auf den Touristen sehr lebenswert, auch wenn die ganzen Steuereinnahmen in Delmenhorst landen.

  • Sein Rücktritt war längst überfällig – auch wenn die Folgen der Einschnitte, die er ach so schweren Herzens mitgetragen hat (lol), seine kurze Amtszeit leider überdauern werden.



    Die CDU-Kulturpolitik verkauft Vielfalt und Freiheit der Kunst an die Logik des Marktes. Dass Chialo sich nun auch noch als innerlich zerrissene Figur inszeniert, ist der zynischste, aber leider vermutlich nicht letzte Akt dieses absurden Schauspiels.

  • Er wurde zum Schluss doch nicht nur von links-progressiv, sondern auch aus den eigenen Reihen zum Abschuss freigegeben.



    Chialo hat seine Schuldigkeit getan, er mag gehen.

    So langsam hätte mensch ihm mal Grundzüge der Politik beibringen können. Wenn mensch denn seinen Erfolg überhaupt gewollt hätte.

    • @Janix:

      Zitat: "Chialo hat seine Schuldigkeit getan, er mag gehen."

      Eigentlich nicht. Denn nun muß sich, notgedrungen, weil weder Chialo weiter das Feigenblatt gibt, noch ein anderer dafür installiert werden kann, der Regierende selber in die Schußlinie stellen, will er die bekannt gewordenen Grausamkeiten vor der Wahl in voller Härte durchschlagen lassen.