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Berlins Finanzplanung für 2024 und 2025Quietschendes Sparen

Sollte der Senat nicht mehr Geld geben, droht den Bezirken eine Haushaltskrise, warnen die Bezirksbürgermeister. Kürzungen hätten dramatische Folgen.

Neuköllner Bezirksbürgermeister Martin Hikel im September 2021 Foto: Emmanuele Contini/imago

Berlin taz | Einstellungsstopp bei den Bürgerämtern, Wegfall der aufsuchenden Drogenhilfe, und der traditionsreiche Rixdorfer Weihnachtsmarkt wird auch nicht mehr stattfinden können. Die Liste der Sparmaßnahmen, die das Bezirksamt Neukölln am Dienstag veröffentlichte, liest sich schmerzhaft. „Die Funk­tio­nalität der Stadt ist massiv gefährdet“, warnt Neuköllns Bürgermeister Martin Hikel (SPD) im Gespräch mit der taz.

Wie vielen anderen Bezirken droht Neukölln in den kommenden Jahren ein zweistelliges Millionendefizit, sollte die Finanzsenatsverwaltung Mitte Juli beim Beschluss des Doppelhaushalts 2024/25 nicht deutlich mehr Geld zuschlagen.

Bereits vergangenen Freitag bezifferten die zwölf Be­zirks­bür­ger­meis­te­r:in­nen in einem offenen Brief an den neuen CDU-Finanzsenator Stefan Evers den Mehrbedarf insgesamt auf 250 Millionen Euro – allein, um die bisherigen Leistungen aufrechtzuerhalten. Sollte dies nicht zugesagt werden, drohen auch in anderen Bezirken drastische Kürzungen, warnen die Bürgermeister:innen.

„Wir müssten alles streichen, was nicht zwingend notwendig ist“, sagt Tempelhof-Schönebergs Bürgermeister Jörn Oltmann (Grüne) am Donnerstag der taz.

Allein in seinem Bezirk beläuft sich das Defizit auf über 30 Millionen Euro. Da ein Großteil des Budgets zweckgebundene Ausgaben seien, wie zum Beispiel das Bürgergeld, hätten die Bezirke kaum Handlungsspielräume, so Oltmann.

Als Erstes auf der Streichliste stünden dann – ähnlich wie in Neukölln – eben die sozialen Angebote, um die sich die Bezirke mit ihren frei verfügbaren Geldmitteln bemüht hätten, wie etwa Mieter- und Sozialberatungen.

Der Aufruhr in den Sozialverbänden ist dementsprechend groß. So warnt die LIGA der Spitzenverbände der Freien Wohlfahrtspflege in Berlin vor den aktuellen Haushaltsplänen: „Wir können nicht zulassen, dass durch Sparvorgaben elementare sozialpolitische Notwendigkeiten ignoriert werden“, so der Verband am Donnerstag. Berlin liefe mit den aktuellen Haushaltsplänen auf eine „soziale, wirtschaftliche und politische Bankrotterklärung“ zu.

Die größten Einsparungen ließen sich von den Bezirken jedoch im Personalbereich erzielen. Mehrere Bezirke kündigten auf taz-Anfrage deshalb einen Einstellungsstopp, Schließung von Bürgerämtern oder verzögerte Einstellungen an, um Kosten zu sparen. Für die ohnehin schon angespannte Personallage in den Bezirksämtern und die daraus resultierenden Bearbeitungszeiten wäre dieser Schritt ein Fiasko, fürchtet Friedrichshain-Kreuzbergs Bürgermeisterin Clara Herrmann (Grüne). „Sämtliche und berechtigte Ansprüche an eine funktionierende Stadt werden damit ausgehöhlt.“

Auch für Katja Karger, Vorsitzende des Deutschen Gewerkschaftsbundes Berlin, wären neben den sozial Benachteiligten auch die Beschäftigten in den Ämtern die Leidtragenden: „Viele Verwaltungen kriechen jetzt schon auf dem Zahnfleisch“; Stellen nicht nachzubesetzen werde etwa bei der Passausgabe nicht helfen, so Karger.

Die Hilferufe der Bezirke sind vor allem als Teil der anstehenden Haushaltsverhandlungen zu verstehen – ob es tatsächlich zu den drastischen Kürzungen kommt, hängt davon ab, ob sich die Bezirke in den Verhandlungen mit der CDU-geführten Finanzsenatsverwaltung durchsetzen können.

Doch noch Hoffnung für Bezirke?

Diese lässt schon jetzt durchblicken, dass es mehr Geld ­geben wird: „Bereits nach jetzigem Stand ist aber klar, dass die den Bezirken vom Land zur Verfügung gestellten Mittel deutlich steigen werden“, sagt Sprecherin Silke Brandt am Donnerstag auf taz-Anfrage.

Entwarnung bedeutet das für die Bezirke aber noch lange nicht. Durch Corona, Ukrainekrieg, Inflation, steigende Zinsen und nicht zuletzt die wieder in Kraft getretene Schuldenbremse ist die Haushaltslage wieder deutlich angespannter. Auch die Senatsverwaltungen müssen sich auf Budgetkürzungen von bis zu 30 Prozent einstellen.

So macht Finanzsenator Stefan Evers auf taz-Anfrage deutlich, dass die Bezirke in jedem Fall mit Kürzungen rechnen müssten: „An der Haushaltslage gibt es nichts schön zu reden, sie ist und bleibt angespannt. Das bedeutet, dass wir alle Prioritäten setzen müssen. Die engen finanziellen Rahmenbedingungen betreffen Senat und Bezirke gleichermaßen.“

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8 Kommentare

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  • Hier wird leider nicht klar, warum es auf einmal zu diesem massiven defizit kommt und warum der finanzplan auf einmal so ist. Wie wurde das vorher finanziert und warum geht das jetzt nicht mehr? nur wegen der schuldenbremse von 2020 ist ne eher magere antwort.

  • 6G
    658767 (Profil gelöscht)

    Mehr Geld ist oft kontraproduktiv. Mit einem umfassenden Controlling liesse sich auf Bezirksebene viel Geld hereinholen: Fehlerhafte, überteuerte Baumaßnahmen ohne Regressforderungen, untergenutzte Sozial/Senioren/Jugendeinrichtungen und Bezirksmuseen usw. Da wagt sich auch kein grüner Bürgermeister ran. Das wäre aber notwendig, um etwa die Obdachlosenhilfe vernünftig durchzufinanzieren.

  • Ich finde dieses Verhalten schon ein wenig merkwürdig.

    Die finanziellen Entwicklungen sind schon eine ganze Weile absehbar. Ungeachtet dessen wurde bis zur Wahl fleißig in Schönwetterprojekte investiert.

    Und gerade in Neukölln wurden dann wichtige Investiotionen zur Bekämpfung der Drogenproblematik unterlassen.

    Jetzt, nach der Wahl sieht angeblich alles anders aus und ausgerechnet Schulen, Spielplätze und Jugendeinrichtungen stehen ganz oben auf der Streichliste.

    Und das Problem im Neuköllner Gesundheitsamt scheint ja immer noch nicht behoben.

  • Das ist bitter, sehr bitter. Jeden der Punkte der von der Kürzung bzw. Streichung bedroht ist würde ich als absolut notwendig ansehen. Die Menschen, die hiervon betroffen sind, können in der Regel auch nicht auf andere Angebote ausweichen. Wenn diese Dinge nicht mehr angeboten werden, dann fallen sie schlicht und einfach weg. Eine angeblich so reiche Gesellschaft kann sich dies eigentlich nicht leisten.

  • Laut berlin.de sind in Neukölln folgende Bereiche von Streichungen oder Kürzungen bedroht:

    -Wachschutz an 12 Neuköllner Schulen entfällt



    -Tagesreinigung an den Neuköllner Schulen entfällt



    -Obdachlosenhilfe wird reduziert



    -Wegfall der aufsuchenden Suchthilfe



    -Wasserspielplätze werden geschlossen



    -Kaputte Spielgeräte auf Spielplätzen werden nicht mehr erneuert



    -Müllentsorgung in Grünanlagen wird halbiert



    -Schließung von drei Jugendfreizeit- bzw. Familieneinrichtungen



    -Reduzierung der Stadtteilkoordination ab 2025



    -Jugendreisen für besonders betroffene Jugendliche werden nicht mehr finanziert



    -Alt-Rixdorfer Weihnachtsmarkt fällt weg



    -Freie Stellen im Bezirksamt werden temporär nicht nachbesetzt

    Wenn das Geld nicht vorhanden ist, müssen eben Kürzungen vorgenommen werden. Wenn die Mittel fehlen, kann eben nicht mehr als das zwingend Notwendige angeboten werden.

    • @Stefan Schaaf:

      Klar, CDU-Meister. Ein Freund von mir hat oft gesagt: "Geld ist immer da - es fragt sich nur, wofür es ausgegeben wird!" Konservative benötigen es für soziale Verwendungszwecke nicht so dringend, von wegen "wenn Mittel fehlen, kann eben nicht mehr als das zwingend Notwendige angeboten werden." Und wer vom üblicherweise saturierten konservativen Klientel braucht schon Mieter- und Sozialberatungen und so´n Gedöns.

      Die LIGA der Spitzenverbände der Freien Wohlfahrtspflege in Berlin, also die Fachorganisation für das soziale Zusammenleben, sieht das anders. Da ist die Rede von "elementaren sozialpolitischen Notwendigkeiten“, "Berlin liefe mit den aktuellen Haushaltsplänen auf eine soziale, wirtschaftliche und politische Bankrotterklärung zu". Wieviel Zerfall gesellschaftlichen Zusammenhalts kann sich Berlin noch leisten? Ich meine, die rote Linie ist schon überschritten.

      Statt Politik `mit dem Auto´ muss es eine Politik `mit den Menschen´geben, vor allem mit den ärmeren. DA die politische Energie zu investieren, wäre doch eine Alternative...

      Übrigens: `Ein neuer Senat mache eben auch eine andere Politik´ und das sei `selbstverständlich´: Die alte Koalition hätte mehr Stimmen gehabt, wäre also noch mehr legitimiert gewesen! Das ganze Schlamasell ist eine Giffey-Volte, nie vergessen!!

    • @Stefan Schaaf:

      Oder es müssen neue Mittel reingeholt werden, zB über erheblich höhere Geldstrafen bei Zweckentfremdung von Wohnraum, oder bei Zweite-Reihe-Parkern und sonstigen StVO-Rowdies, usw.

      Möglichkeiten gibt es. Man muss es nur wollen.



      Bremen kriegt das ja auch hin.



      Aber da haben sie R2G, und nicht die Kleptokraten-Union.

      • @Ajuga:

        Ihre Aussage ist insofern falsch, als das Bremen es nicht hinkriegt, sondern einfach einen Schuldenberg aufbaut und die Belastungen damit weiter in die Zukunft schiebt.