Berlinerin bei „Jugend debattiert“: „Du hast nur zwei Minuten“
Die 16-jährige Emma de Bourdeille vertritt Berlin ab Donnerstag beim Bundeswettbewerb von „Jugend debattiert“.
taz: Emma, du vertrittst in dieser Woche das Land Berlin im Bundeswettbewerb von „Jugend debattiert“. Mit welchem Thema hast du es bis hierher geschafft?
Emma de Bourdeille: Im Landesfinale haben wir darüber debattiert, ob die Supermärkte in Deutschland so wie die in Tschechien dazu verpflichtet werden sollen, abgelaufene Lebensmittel zu verschenken, um der Lebensmittelverschwendung entgegenzuwirken. Diese Frage kann man unterschiedlich auslegen: Man kann sagen, wir machen es 100 Prozent wie in Tschechien, wir spenden es den Tafeln, oder wir machen im Supermarkt eine Ecke, in der man sich umsonst etwas nehmen kann.
Hattest du vor der Debatte eine Meinung zu dem Thema?
Ich hab mich davor mit dem Thema nicht so extrem auseinandergesetzt wie in der Vorbereitungszeit, aber über Lebensmittelverschwendung und allgemein über übermäßiges Konsumverhalten habe ich mir schon Gedanken gemacht. Als ich dann in die Recherche gegangen bin, war ich auch in einem Einkaufszentrum und habe in verschiedene Bioläden geguckt, die abgelaufene Lebensmittel verkaufen, und nach politischen, ethischen und juristischen Aspekten des Themas gefragt.
Im „Jugend debattiert“-Format bekommt man ziemlich kurzfristig seine Position – also ob man Pro oder Contra vertreten muss. Wie hast du dich darauf eingestellt?
Das Thema hatten wir drei Tage vorher bekommen. Ich habe mich aber erst mal auf die Qualifikationsrunden fokussiert und mich über den Lebensmittelverschwendungspunkt nur oberflächlich informiert. Als ich dann die Contra-Position erhalten habe, dachte ich so: „Oh okay, ich war jetzt eher Pro, warum nicht Lebensmittel verschenken?“, aber dann hab ich mich nochmal viel intensiver mit dem Thema beschäftigt. Das war sehr interessant, weil ich gemerkt habe, dass es da doch so einige Knackpunkte gibt. Man muss ja die Meinung unabhängig davon vertreten, was man persönlich denkt. Da habe ich mich dann nochmal eingearbeitet und bei den Supermärkten das abgefragt, was explizit zu meiner Position gepasst hat. Wenn man genug sucht, gibt es eigentlich zu jedem Thema ein umfangreiches Spektrum an Pro-, aber auch an Contra-Argumenten.
Wie bist du zu „Jugend debattiert“ gekommen?
Der Wettbewerb Jugend debattiert ist ein bundesweiter SchülerInnenwettbewerb, finanziert von mehreren privaten Stiftungen, auf Initiative und unter der Schirmherrschaft des Bundespräsidenten und in Kooperation mit der Kultusministerkonferenz der Länder. Das Projekt zur rhetorischen und politischen Bildung ist 2002 bundesweit gestartet und umfasst teils in den Unterricht eingebundene Trainings sowie Landes- und Bundeswettbewerbe. Die Debatten sind reglementiert und orientieren sich an Regeln für parlamentarische Debatten.
Bundesfinale Laut Veranstalter haben sich an den aktuellen Qualifikationen bundesweit rund 200.000 SchülerInnen beteiligt. Ab dem 20. Juni treten die Besten in zwei Altersstufen (Klassen 8–10 und 10–13) gegeneinander an. Am 22. Juli werden die Finaldebatten in der Urania Berlin ausgetragen. jugend-debattiert.de
Die LandessiegerInnen Im Abgeordnetenhaus debattierte sich Emma de Bourdeille am 15. März in die Bundesqualifikation. Sie besucht die 9. Klasse des Beethoven-Gymnasiums in Steglitz-Zehlendorf und ist 16 Jahre alt. Außerdem wird Berlin von Tina Lynn Hitzblech (Werner-von-Siemens-Gymnasium), Fee Griebenow (Albert-Einstein-Gymnasium) und Luan Fonarob (Werner-von-Siemens-Gymnasium) vertreten. (taz)
Wir hatten in der achten Klasse einen AG-Tag zu „Jugend debattiert“ und da hat mich meine Erdkundelehrerin gefragt, ob ich da nicht mitmachen möchte. Ich habe es ausprobiert und es hat mir sehr Spaß gemacht. Deswegen habe ich dann am Schulwettbewerb teilgenommen, bin weitergekommen und war dann plötzlich auf Regionalebene. Ich bin dann immer weiter gekommen und so hab ich mich immer weiter verbessert. Es ging also über meine Schule, aber wir haben nicht wie viele andere im Unterricht debattiert.
Wie findest du die sehr stark regulierte Struktur des „Jugend debattiert“-Formats?
Es sind natürlich keine englischen Debatten, wo jeder reinredet. Aber ich finde es eigentlich ganz gut so, weil man sehr präzise und prägnant formulieren muss. Du hast nur zwei Minuten, um das Problem darzustellen und etwas zu erklären oder zu entkräften.
Nicht viel Zeit …
Damit haben viele Probleme. Auch mir fiel das am Anfang unglaublich schwer, mich kurz zu fassen, und es fällt mir auch jetzt noch schwer. Die Struktur hilft einem aber dabei. Was ich nicht so gut finde, sind die Formalien, die auch in dem Format enthalten sind, wie zum Beispiel: „Am Anfang dieser Debatte spreche ich mich da- und da für aus…“. Von dieser Struktur muss man ein wenig wegkommen, sonst wird es für die Debattanten, aber auch für die Zuhörer langweilig. Innerhalb dieses Rahmens kann man eine Debatte aber sehr kreativ gestalten.
Hast du vor, das einmal beruflich zu machen?
Politik interessiert mich persönlich total und durch „Jugend debattiert“ bin ich noch näher an das Thema herangekommen. Weil ich Schulsprecherin bin, habe ich auch schon durch Gremiensitzungen und so etwas Erfahrungen gesammelt. Mein ganzes Umfeld meint, ich solle in die Politik gehen, und ich möchte mich auf jeden Fall weiter damit auseinandersetzen – auch wenn falls ich jetzt nicht in das Bundesfinale komme. Ich werde einfach viele Sachen ausprobieren, aber ich denke, dass ich immer einen gewissen Bezug zu Politik haben werde, und ich kann mir auch vorstellen, dass es in die Richtung geht.
Im Bundesfinale 2018 gewannen in beiden Altersklassen Frauen, sechs der acht Finalisten waren weiblich. Zufall – oder sind Frauen einfach besser im Debattieren?
Zur Vorbereitung habe ich mir die letzten Bundesfinale angeguckt und mir Sachen herausgeschrieben. Da war eins, ich glaube es war 2017, bei dem das erste Mal vier Mädchen im Finale waren. Das fand ich schon voll krass, weil das bei uns einigermaßen ausgewogen ist. Also nein: Frauen sind nicht besser im Debattieren.
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