Berliner Szenen: Sommer im Tierpark
Unter Schlangen
Ich bin mit meinem dreijährigen Sohn im Tierpark. Die Riesenschildkröten sind heute draußen in der Sonne. Ein Wärter bringt Zweige mit grünen Blättern in das Gehege, und erstaunlich flink schieben sich die fünf Schildkröten, die gerade noch wie versteinert aussahen, auf das frische Futter zu. In der Mitte des Geheges, bei den Zweigen angelangt, reißen sie ihre Mäuler auf und rupfen sich Blätter ab. Lautlos.
Im Reptilienhaus läuft eine Kitagruppe herum und ist laut. „Kiana, nicht rausrennen“, zischt eine Erzieherin und versucht die Gruppe zusammenzuhalten. Plötzlich taucht eine Tierwärterin mit einer Schlange auf dem Arm auf und stellt sich zu den Kindern. Die Schlange ist lang und dick und hat einen sehr kleinen Kopf. „Dis is Murphy“, sagt die Wärterin. „Wer will Murphy mal streicheln?“ Alle Kinder reißen ihre Finger hoch und schreien: „Ich, ich, ich.“ Mein Sohn und ich schauen mit großen Augen zu, wie alle Kinder die Schlange anfassen und sie sich dann auch noch über die Schulter legen lassen. „Murphy is eine Python“, sagt die Wärterin. „Murphy is nich giftig“, sagt sie, „trotzdem nich dem Kopf zu nahe kommen“, sagt sie. Eine der zwei Erzieherinnen macht Fotos von den Kindern mit der Schlange. Ein kleines Mädchen mit Pferdeschwanz, das neben der Wärterin steht, kreischt verzückt: „Murphy hat meine Nase abgeleckt.“
Die Wärterin verschwindet mit Murphy und taucht kurz darauf mit einer Bartagame auf der Bluse wieder auf. Die Bartagame hat Stacheln an Backen und Rücken, ist so groß wie eine junge Katze und sieht aus wie ein Drache. Die Wärterin streichelt die Bartagame. „Bei Kindern mit Allergien, besonders mit Allergien gegen Tierhaare, ist die Bartagame als Haustier zu empfehlen“, sagt sie. „Ich will lieber ein Meerschweinchen“, flüstert mir mein Sohn ins Ohr.
Mareike Barmeyer
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen