Berliner Szenen: Mobiler Buchladen
Neue Verkaufsstrategie für Bücher: Kunden nachts in ein Taxi sperren und durch die Gegend fahren.
N achts aus Neukölln mit Taxi nach Hause. Wir haben vorgelesen und Lieder gesungen, danach haben wir uns betrunken wie häufig. Einige haben geknutscht. Irgendwann waren zuverlässig alle Bahnen weg, deshalb wurde ein Taxi bestellt. „Für vier Betrunkene und ein Fahrrad.“ Ich lasse mein Fahrrad nicht stehen. Niemals. Eher schiebe ich es bis Pankow.
Das Großraumtaxi kommt, das Künstlerpack steigt ein, verstaut Instrumente, Taschen und Fahrräder und freut sich auf eine entspannte Heimfahrt. Ab durch die Mitte. Die Straßen sind leer. Das Park-Inn strahlt als Leuchtturm in die Nacht. Wir lächeln, schweigen, staunen. Berlin kann so friedlich sein.
Da plötzlich die Stimme des Taxifahrers. „Lesen Sie Bücher?“ – „Ja“, sagen wir und lachen. „Ich les sogar auf Hörbüchern“, will ich sagen, „Könn Se kaufen.“ Aber ich komm nicht dazu. Er ist schneller. „Hab ich Buch geschrieben“, sagt der Taxifahrer. Licht geht an im Innenraum des Taxis. Die Knutschenden fahren auseinander.
„Was is los?“ – „Er hat ein Buch geschrieben.“ – „Wie bitte?!“ – „Hier!“, sagt der Taxifahrer und reicht ungefragt ein schmales Bändchen nach hinten: Süleyman irgendwas steht auf dem Einband, darüber ein Bild von ihm in traditioneller Kleidung mit Fez auf dem Kopf im Kreise seiner Familie.
„Die Geschichte meiner Familie“ heißt das Buch. Glaube ich. Ganz sicher bin ich, dass auf dem Waschzettel „2. Auflage“ draufstand, das Werk aber eindeutig Print on Demand war. Wir haben es nicht gekauft. Es hätte über 10 Euro gekostet, und unser Musiker hat gesagt, er kann nicht im Auto lesen, da wird ihm schlecht. Vor allem beim Rückwärtsfahren.
Der Taxifahrer hat das Licht wieder ausgemacht. Wir sparen jetzt auf ein eigenes Taxi. Mit Zentralverriegelung. Damit die Kunden genug Zeit zum Nachdenken haben, ehe sie unsere Bücher und CDs kaufen.
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